08.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Merkel siegt im Abgas-Streit

EU-Kommission schwächt Pläne zur Kohlendioxid-Reduzierung ab

Brüssel/Berlin (dpa/Reuters). Die EU-Kommission hat gestern ihre geplanten Klimaschutzvorgaben für die Autobauer entschärft.
Nach Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der deutschen Hersteller verabschiedete die EU-Kommission gestern in Brüssel abgeschwächte Pläne, um den Ausstoß des gefährlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) zu verringern. Die Industrie soll bis 2012 durch verbesserte Technik den CO2-Ausstoß auf durchschnittlich 130 Gramm je Kilometer bei Neuwagen senken, auf die gesamte Fahrzeugflotte aller Hersteller gerechnet. Ursprünglich waren 120 Gramm im Gespräch.
Die Bundesregierung lobte den Vorstoß, dem frühestens Ende des Jahres Gesetzesvorschläge folgen. Umweltschützer beklagten einen Erfolg der Auto-Lobby.
Umweltkommissar Stavros Dimas, der das 120-Gramm-Ziel allein den Herstellern aufbürden wollte, gab nach wochenlangem Streit mit dem deutschen Industriekommissar Günter Verheugen nach. Jetzt sollen die restlichen zehn Gramm bis 2012 durch einen Maßnahmenmix erreicht werden, etwa die Beimischung von Biokraftstoff, effizientere Klimaanlagen und Reifendruckanzeigen. »Damit verbinden wir Klimaschutz mit dem Schutz von Arbeitsplätzen in einer unserer Schlüsselindustrien«, sagte Verheugen, aus dessen Feder dieser so genannte integrierte Ansatz stammt.
Das Papier der EU-Kommission ist die Antwort auf die gescheiterte Selbstverpflichtung aus dem Jahr 1998, mit der sich die Branche verpflichtet hatte, bis Ende 2008 ihren durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf 140 Gramm je Kilometer zu senken. Er liegt derzeit bei gut 163 Gramm. Die Industrie argumentiert, dass dies vor allem an der Beliebtheit der größeren Autos liege. Verheugen sagte: »Das mag ja sein, entbindet die Hersteller aber nicht von ihren Verpflichtungen.«
Die deutsche Autoindustrie sieht den Vorschlag skeptisch. Er sei extrem anspruchsvoll. »Die Zielvorstellungen erfordern massive Investitionen und Innovationen und stellen alle Hersteller vor enorme und extrem schwierige Herausforderungen«, sagte Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie.
Wegen des Streits zwischen Dimas und Verheugen hatte die Kommission die Vorlage ihres Strategiepapiers zwei Mal verschieben müssen. »Unsere Papiere hatten sich in einigen Punkten diametral widersprochen«, sagte Verheugen. Dass es eine gesetzliche Regelung geben müsse, sei aber immer klar gewesen. Dimas betonte, der Gewinn für die Umwelt werde der ursprünglich geplante sein: »Die Autoflotte wird sauberer.« Beim Kampf gegen den Klimawandel komme es in erster Linie auf den Verkehr an.
Ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission soll nun bis Mitte 2008 folgen und muss dann von den EU-Staaten und dem Europaparlament verabschiedet werden.
Zu Gunsten des Klimaschutzes ist eine Mehrheit der Bundesbürger für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Das ergab eine Forsa-Umfrage. 60 Prozent der 1001 Befragten sprachen sich demnach für eine Tempobeschränkung aus, um so den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern. 38 Prozent waren dagegen.

Artikel vom 08.02.2007