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Prof. Paul Kirchhof

»Der Staat
nimmt seine
mündigen
Bürger
nicht ernst.«

Leitartikel
Nach Kirchhof nun Merz

Qualität wird
knallhart
ausgebremst


Von Rolf Dressler
Dass im Bundestag eine rührig-selbstbewusste Oppositionsfraktion von Polit-Linksaußen und Alt-Neu-Kommunisten sitzt, regt längst niemanden mehr auf. Sozialdemokraten ohnehin nicht und auch die bürgerliche Konkurrenz von Christlichen und Freien Demokraten hat sich mit der forschen Gysi/Lafontaine-Truppe und deren Gebaren arrangiert.
Deshalb fällt es gar nicht son- derlich auf, wie kräftig ausge- rechnet die sogenannte Linkspartei gegen den herzlich ungeliebten Friedrich Merz nachtritt. Kaum hatte der CDU-Politiker seinen Rückzug angekündigt, forderte sie ihn lautstark auf, sein Mandat auf der Stelle aufzugeben, ohne Verzug. Nun ja, mögen viele gedacht haben in der (leider begründeten) Gewissheit, dass die Mehrheitskarawane weiterziehen werde. Was kratzt es die Elefanten unter den Parlamentsfüchsen, wenn man sie anbellt?
Nur, so einfach liegen die Dinge wahrlich nicht. Ganz im Gegenteil. Denn jener Friedrich Merz ist ein herausragend kluger, analytischer Kopf, ein Schwergewicht, das der Union von CDU und CSU mehr als nur gut zu Gesicht steht gerade in Zeiten, in denen alle darum wetteifern, Land und Leuten eine verheißungsvolle und glaubwürdige Zukunftsgestaltung anzubieten. Doch was widerfährt (auch) diesem Mann? Einige Partei»freunde« schicken ihm noch im Weggehen linkische Lobesworte hinterher, die doch nichts anderes sind als der Abgesang auf einen, dem im Grunde niemand in der CDU noch eine Träne nachweint, weil er die eigenen Kreise allzu empfindlich störte.
Dabei wäre es geradezu lächerlich, Friedrich Merz auf dessen im Kern bahnbrechend richtige Ver- einfachungsidee zu reduzieren, die Steuererklärung so zu revolutionieren, dass sie auf einem Bierdeckel Platz findet. Und genauso dümmlich und böswillig war und ist es, Merz den Geruch eines rüden Neoliberalen anzuhängen, dem Kapitalismus und Globalisierung angeblich als das Nonplusultra allen wirtschafts- und finanzpolitischen Wirkens gelten.
Denn in wohldurchdachte, handfeste Alltagspraxis umgesetzt hätte seine schon beinahe legendäre Bierdeckel-Idee ein Zündfunke im besten Sinne werden können. Weit über das unerträglich wüste Paragraphenunwesen hinaus wären die Merz'schen Vorschläge bei Arbeitnehmern wie Unternehmern, Rentnern und Freiberuflern als historischer Befreiungsschlag empfunden und gefeiert worden. Doch Merz wurde maßgeblich sogar in den eigenen Reihen ausgebremst.
Das teilt er mit Prof. Paul Kirchhof, einem anderen glänzenden Kopf, mit dessen wirtschafts-, steuer- und familienpolitischen Vorstellungen CDU und CSU hätten wuchern können. Allein, kaum dass er (als Seiteneinsteiger und ehemaliger Verfassungsrichter) erste Schritte auf der politischen Bühne getan hatte, ließ man ihn wieder fallen wie die sprichwörtliche (zu) heiße Kartoffel.
Die sogenannte herrschende politische Klasse möchte unter sich bleiben. Den Nachteil haben wir Bürger und unser Gemeinwesen.

Artikel vom 08.02.2007