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Fassungslosigkeit
nach Überfall
auf Elftklässler

Täter hatten unter den Schülern Helfer

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). Entsetzen und Unverständnis, ein bundesweiter Medienrummel: Ein inszenierter Überfall und die Geiselnahme von 24 Elftklässlern und einer Jung-Lehrerin des Helmholtz-Gymnasiums haben gestern von Kiel bis München Wellen der Empörung geschlagen. Einziger Lichtblick: Alle Opfer überstanden das brutale Geschehen unbeschadet.

Pure Geldgier hat die Haupttäter (sie besuchen nicht das Helmholtz-Gymnasium, sondern andere Schulen) und ihre Komplizen aus der überfallenen Klasse 11c zum Raubzug getrieben. Während die beiden mit Sturmhauben maskierten Kriminellen die Jugendlichen und eine Referendarin in der großen Sporthalle bedrohten und als Geiseln nahmen, der 16-jährige bewaffnete Maskenmann der Lehrerin Anna B. (26) und mindestens zwei weiteren Schülern seine ungeladene Schreckschuss-Pistole an die Köpfe presste, mimten die zwei in das Geschehen eingeweihten Mittäter von der 11c die hilflosen Opfer.
Wie Polizeisprecher Friedhelm Burchard berichtete, hat das kriminelle Quartett im Alter von 16 und 17 Jahren vor etwa vier Wochen den Plan gefasst, wegen akuter Geldknappheit die 24 Mitschüler zu überfallen. Die Haupttäter, türkisch- sowie serbisch-stämmig, wohnen nicht weit vom Gymnasium entfernt in der Innenstadt. Sie und ihre deutschen Helfer sollen zu einer Baumheider Jugendgang gehören.
»Wir sind erstmal gebügelt.« Mit diesen Worten kommentierte gestern Gerd Kranzmann (59), Direktor des Helmholtz-Gymnasiums, diesen in Deutschland einmaligen Fall. Da war es nur ein kleiner Trost, dass Ermittlungsrichterin Astrid Salewski vom hiesigen Amtsgericht gestern Nachmittag Haftbefehle wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schweren Menschenraubes gegen die Haupttäter erlassen hatte. Denn gleichzeitig wurden die Haftbefehle für die geständigen Jugendlichen gegen Meldeauflagen wieder aufgehoben. Ihre Komplizen von der 11c, die bei der Kripo ebenfalls ihre Beteiligung eingeräumt hatten, waren auch auf freien Fuß gesetzt worden.
Mitschüler bewunderten gestern den Heldenmut der überfallenen Gymnasiasten von der 11c, die sich erfolgreich gegen die zwei Räuber gewehrt hatten. Wie berichtet, war der 16-Jährige mit der Schreckschusswaffe in der Sporthalle überwältigt und der alarmierten Polizei übergeben worden. Der zweite Haupttäter war Dienstag gegen 21.30 Uhr in der Wohnung seiner Eltern gefasst worden.
Allerdings räumten viele Gymnasiasten ein, dass sie selbst nicht die Täter angegriffen hätten. Osman Pakir (17 Jahre alt/Klasse 11d): »Ich hätte gewartet, bis die Räuber verschwunden wären. So ein Überfall, der kann heutzutage überall passieren. Die Moral in der Gesellschaft ist gesunken.«
Auch Direktor Kranzmann warnte davor, in solchen Situationen den Helden zu spielen. Beim Überfall habe es einem Elftklässler nicht gefallen, dass sein MP3-Spieler geraubt werden sollte. Dieser Jugendliche griff den bewaffneten Räuber an, Mitschüler unterstützten ihn.
Alle Schüler der Klasse 11c und Lehrerin Anna B. waren gestern morgen zum Unterricht erschienen. »Es geht ihnen gut«, versicherte Direktor Kranzmann. Polizei-Opferschutzbeauftragte vom Kommissariat Vorbeugung machten den Überfallopfern Hilfsangebote, nach der 4. Stunde durften die Betroffenen nach Haus gehen.

Artikel vom 08.02.2007