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Die Zeitung hörbar gemacht

Schon 100 Kunden nutzen den Service der Stiftung »Solidarität«

Von Gerhard Hülsegge
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Sieker (WB). Sie können schlecht oder gar nicht mehr sehen, wollen aber trotzdem wissen, was in der Zeitung steht? Kein Problem: Der »Hörzirkel« macht Zeitung hörbar!

»Lokale Nachrichten sind bei unseren Kunden am beliebtesten. Alles, was aus Bielefeld ist, interessiert«, sagt Franz Schaible (56), Vorstandsmitglied der Stiftung »Solidarität bei Arbeitslosigkeit und Armut« sowie Gründervater des kostenloses Services, der von fast 100 Kunden gerne in Anspruch genommen wird. Ob Familiennachrichten oder der Fortsetzungsroman aus dem WESTFALEN-BLATT - die Macher der CDs im MP3-Format, die täglich von Fahrradkurieren oder der Post an die blinde Frau und an den blinden Mann gebracht werden, können sicher sein, dass sie ein zufriedenes Stammpublikum beliefern.
Und das bereits seit mehr als einem Jahr. Denn so lange, genauer gesagt seit Oktober 2005, gibt es den »Hörzirkel« schon. Auf 200 Quadratmetern des GAB-Geländes an der Meisenstraße sind rund 20 Mitarbeiter, zumeist Ein-Euro-Jobber, von morgens 8.00 bis nachmittag um 16 Uhr damit beschäftigt, Neuigkeiten des Tages aus diversen Publikationen erst verbal in den Computer einzugeben, dann auf CD zu brennen und schließlich - um einen Tag versetzt - weiterzugeben. »Wir verwenden MP3-Formate, weil nur diese Art von CDs bis zu 500 Mal neu zu besprechen sind«, erklärt Friedrich-Wilhelm Büker. Der 55-jährige Projektleiter sucht abwechselnd mit drei weiteren Mitarbeitern auch die Themen aus.
Meist ist für jeden etwas dabei: Aktuelles von der politischen Bühne, Wissenswertes aus der Wirtschaft, aus Ostwestfalen-Lippe, vom Sport und natürlich aus Bielefeld. »Wenn die Gruppe ÝTokio HotelÜ in die Seidensticker-Halle kommt, interessiert das unsere Klientel weniger, als wenn irgendwo im Stadtgebiet fünf Eichen gefällt werden«, weiß Büker inzwischen aus Erfahrung. Mit einem Musik-»Jingle« wird die Zeitung als Scheibe in der Regel auch noch etwas aufgepeppt.
Ganz beliebt beim Publikum sind die Sonderbeiträge zu Weihnachten und zu Ostern. Auch 2007 soll es wieder Extra-Beiträge zu den Festen geben. Dann gibt es auch schon mal Dankesbriefe wie den von Tom in Blindenschrift: »Eure Hörzeitung gefällt mir wirklich gut.«
»Mit der Zeit hätte ich eigentlich mehr Kritik erwartet«, räumt Büker ein, stellt aber fest: »Alle sind hochzufrieden.« Was ihn noch mehr wundert: Auch die Zusammenarbeit höchst verschiedener körperlich behinderter Menschen im »Hörzirkel« klappt reibungslos. »Alle sind pünktlich und aufgeschlossen«, lobt Büker das Betriebsklima. Für ständigen Personalnachschub sorgt »Arbeitplus«, die Tochtergesellschaft der Stadt Bielefeld und der Agentur für Arbeit.
Die beste Nachricht für die Nachrichtenverbreiter momentan: Der »Hörzirkel« steht als reines Sozialprojekt ohne wirtschaftliche Einnahmen auch die nächsten zwölf Monate auf finanziell soliden Füßen. Aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) fließen wieder 80 000 Euro in die Stiftungskasse, weil ganz nebenbei ein Dutzend Schwerbehinderte qualifiziert und wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Spenden auf das Konto 79 111 der Stiftung »Solidarität« bei der Sparkasse Bielefeld (BLZ 480 501 61) sind darüber hinaus natürlich stets willkommen.
www.derhoerzirkel.de

Artikel vom 08.02.2007