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Frei nach Kaiserin Maria Theresia (1740 -1780)

»Europa funktioniert nur, wenn auch der letzte Schweinehirt in Galizien seine Regeln versteht.«

Leitartikel
Europas Verfassung

Vertraut doch
endlich mal
den Bürgern!


Von Rolf Dressler
Die Masche ist geläufig. Tanzt ein Mutiger einmal aus der Reihe und damit gegen den Hauptstrom der veröffentlichten Meinung, versuchen ihn die Wortführer auch der europapolitisch Korrekten sofort einzufangen. Leitmelodie: Ach, Sie sind wohl auch so ein Rückwärtsgewandter, der die Zeichen der Zeit nicht erkennen will.
Noch das mildeste Disziplinierungsmittel besteht darin, dass man den unerwünschten »Abweichler« zum Exoten oder spinnerten »Außenseiter« stempelt.
Der einstige Verfassungsgerichtspräsident und Bundespräsident Roman Herzog entzieht sich derartigem Übelwollen. Was er den Mächtigen in Berlin und mehr noch den durch sich selbst »Ermächtigten« an den Schalthebeln der Brüsseler EU-Maschinerie ankreidet, ist sorgsam durchdacht. Denn nur beifallheischend Aufsehen zu erregen ist seine Sache nicht.
Vertraut doch den Bürgern! Das möchte man gerade auch den Mächtigen und ihren einflussreichen Fadenziehern in den Kulissen der EU-Zentrale zurufen. Doch das perlt an vielen derjenigen ab, die damit gemeint sind. Deshalb klingen Reden, in denen Politiker Europa in den schönsten Farben malen, leider oft belehrend, wie vom hohen Ross herunter gehalten. Motto: Wir wissen, was gut und richtig für euch ist, also lasst uns bitte machen.
Die Verfassung aber, die das heurige und künftige Groß-Europa sich gibt, entscheidet grundlegend darüber unter welchem Werte-Dach diese Völker- und Staatengemeinschaft ihr Miteinander gestalten wird und auf Dauer zu sichern vermag. Der Wust bedruckten Papiers, der Verfassungsentwurf, nährt eher Argwohn beim Publikum - oder eben Ratlosigkeit beziehungsweise Unverständnis bei jenen wenigen, die ihn durchschauen.
Im Stile eines Bauchladenangebots quillt der Verfassungstext über von nur allzu geläufigen Unverbindlichkeiten aus der Zeitgeist-Phrasenkiste. »Unverfälschten Wettbewerb«, »Preisstabilität« und »sozialen Fortschritt« verheißt man uns da ebenso wie »gerechten Handel« (!?) und selbstverständlich auch »soziale Gerechtigkeit«, die Lieblings(leer-)floskel jedes Zeitgeist-Funktionärs - wobei übrigens zu fragen ist, was soziale Gerechtigkeit eigentlich anderes sein soll als schlicht Gerechtigkeit in ihrem ursprünglichen Sinne.
Roman Herzog aber zielt zu Recht auf den Urkern, lenkt seinen und unseren Blick weg von den Versatzstücken an der papierenen Oberfläche. Unumwunden geißelt er das sogar noch zunehmende Demokratiedefizit sowohl in Brüssel als auch hier in Deutschland. Das kann oder könnte Augen öffnen helfen. Ungewiss freilich bleibt bis auf weiteres, ob es fruchten wird in den Elfenbeintürmen der Regierenden, und deren Parteien.
An einer Erkenntnis aber führt kein Weg vorbei: Ohne einen Gottesbezug in der Verfassung wird Europa höchstens eine Halbheit sein. Schon diverse andere, scheinbar ewige Riesenreiche der Geschichte sind plötzlich wieder von der Bildfläche verschwunden.
Das sollte uns Heutigen Warnung und Mahnung sein.

Artikel vom 14.02.2007