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Kunden im Internet stärken

EU-Kommission will Rückgaberecht vereinfachen - Industrie protestiert

Brüssel (dpa). Die EU-Kommission will das schwächelnde Vertrauen der Verbraucher in Internet-Geschäfte stärken. Die Brüsseler Behörde beschloss dazu gestern ein Bündel von Vorschlägen.
Demnach könnte das Recht auf Rückgabe einer Ware und auf Rücktritt von einem Geschäft vereinfacht werden. Außerdem schlägt die Kommission EU-weit einheitliche Regeln für die Erstattung defekter Produkte und die Kostenübernahme bei deren Rücksendung vor. Wirtschaftsverbände meldeten umgehend Protest gegen die EU-Pläne an.
»Der Binnenmarkt kann ohne Verbraucherschutz gar nicht bestehen«, meinte die zuständige Kommissarin Maglena Kuneva. Das gelte für das Einkaufen im Internet erst recht: »Bisher sind nur sechs Prozent der Käufe grenzüberschreitend.« Den Anbietern entgehe ein großer Markt, wenn sich dies nicht ändere, sagte Kuneva.
Bestellungen per Computer bieten aber immer häufiger Anlass für Beschwerden: Nach Angaben der Europäischen Verbraucherzentralen beklagten sich im Jahr 2005 bereits doppelt so viele Kunden über ein Internet-Geschäft wie im Jahr zuvor. Am häufigsten beschwerten sie sich über die Nicht-Belieferung. Oft wurden auch Waren moniert, die defekt sind oder nicht der Beschreibung entsprechen.
Die neue Verbraucherschutzkommissarin Kuneva hält ein rasches Eingreifen auf EU-Ebene deshalb für geboten. Das gelte auch für Dinge, die per Internet-Verbindung geliefert werden: »Ich glaube, dass der Verbraucher gleich geschützt werden muss - ob er eine CD kauft oder ob er die Musik herunterlädt«, sagte die Bulgarin. Sie ließ aber offen, ob dies im selben Gesetz geregelt werden soll.
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat neue europäische Regeln zum Schutz der Verbraucher bei Internet-Geschäften abgelehnt. »Verbraucherschutzrichtlinien müssen entbürokratisiert und für Unternehmen handhabbarer werden«, sagte BDI-Präsident Jürgen R. Thumann zu EU-Plänen für eine Erneuerung des europäischen Verbraucher-Zivilrechts, die Kuneva gestern vorstellte. Ein europäisches Verbraucher-Zivilrecht mit übermäßigen Schutzvorschriften würde laut BDI den innerstaatlichen Warenverkehr belasten und europäische Unternehmen auch im weltweiten Wettbewerb beeinträchtigen.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) forderte die Kommission unumwunden auf, »das Projekt zu stoppen«. Neue Haftungsregeln könnten dazu führen, dass Preise steigen und die Produktion in Länder außerhalb der EU verlagert werde, warnte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
Auch die Unionsfraktion warnte vor möglichen Belastungen für die Verbraucher. Einheitliche Regeln für die Reklamation seien eine Chance für Verbraucher wie auch für Unternehmen, dies dürfe aber nicht zu erheblichen Kostensteigerungen führen, sagte die CDU-Verbraucherpolitikerin Julia Klöckner.
Bei Bestellungen im Internet gibt es immer mehr Kundenbeschwerden. Vor allem Anbieter aus Deutschland stehen dabei in der Kritik, wie die Europäischen Verbraucherzentralen (ECC) herausfanden. Dem jüngsten ECC-Bericht zufolge stieg die Zahl der Beschwerden und Streitfälle bei Internet-Geschäften 2005 auf 1834. Ein Drittel aller Klagen betraf Lieferanten aus Deutschland.
In einem Fall ging es um einen DVD-Spieler. Ein Schwede hatte ihn bei einem deutschen Anbieter im Internet geordert und auch vorab bezahlt. Doch das gelieferte Gerät entsprach nicht der Bestellung. Der Kunde schickte es zurück, verlangte eine Erstattung oder den richtigen Apparat. Doch der Lieferant reagierte erst, als die schwedische und deutsche Verbraucherzentrale ihn mehrfach dazu aufgefordert hatten. Und er überwies auch nur den Preis der Ware. Die Versandkosten forderte der entnervte Kunde am Ende nicht mehr ein.

Artikel vom 09.02.2007