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»Burg und Turmaussicht
würden sich vertragen«

»Bielefeld Marketing« sieht eine touristische Aufwertung

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). 35 Sekunden, pro Meter eine Sekunde, soll die Fahrt im gläsernen Aufzug zur Aussichtsplattform dauern. Diese soll nach den Plänen des Förderkreises und seines Vorsitzenden, des Pfarrers Armin Piepenbrink-Rademacher, auf dem Turm der Altstädter Nicolaikirche installiert werden (das WESTFALEN-BLATT berichtete mehrfach).

Die Gemeinde verspricht sich davon, das Haushaltsdefizit von zurzeit 30 000 bis 40 000 Euro pro Jahr zu minimieren oder komplett verschwinden zu lassen. Als Vorbild nenne sie den Turm der St. Petri-Kirche in Lübeck. Dort fährt im Inneren des Turmes der »Stadtkirche ohne Gemeinde« ein Aufzug hoch, und oben schauen bis zu 120 000 Besucher pro Jahr aus den - verglasten - Turmfenstern über die Stadt mit ihren Patrizierhäusern bis hin zur Ostsee.
Eine »Aufwertung aus touristischer Perspektive« durch Turmaufzug und Panoramablick sieht auch Hans-Rudolf Holtkamp, Geschäftsführer der »Bielefeld Marketing«. Allerdings glaubt er nicht an eine auch nur annähernd hohe Nutzerzahl für den »Glaslift«.
Die »Bielefeld Marketing« veranstaltet pro Jahr 400 Stadtrundfahrten und Rundgänge zu unterschiedlichen Themenbereichen; im vergangenen Jahr nahmen daran insgesamt 9000 Menschen teil. Stadtrundgänge stehen unter Themen wie »Kulinarisch«, »Industriearchitektur«, »Skulpturen«, »Frauenwelt« und »Sparrenburg«, 96 Rundgänge im vergangenen Jahr mit jeweils im Durchschnitt 20 Teilnehmern hatten die Altstadt zum Ziel.
Käme der Aufzug, müsse die »Bielefeld Marketing« ein Inklusivangebot machen und damit auch den Preis der Führung entsprechend anpassen oder aber es jedem Teilnehmer freigestellt lassen, ob er auf den Turm »getragen« werden möchte oder nicht. Holtkamp betont, dass die »Bielefeld Marketing« nicht für den wirtschaftlichen Betrieb eines solchen Panorama-Aufzuges einstehen und sich erst recht nicht an der Investition für den Lift beteiligen könne: »Der Turmaufzug wäre ein Segment auf Bielefelds touristischer Angebotspalette - jedoch ist dieses Segment nicht jeden Preis wert.«
Eine Konkurrenz zur Aussicht von Bielefelds Wahrzeichen, der Sparrenburg, sieht Holtkamp nicht: »Bielefeld ist groß genug, ein gedeihliches Nebeneinander möglich. Das verträgt sich.«
In Deutschland werden mehrere Kirchtürme gleichzeitig als Aussichtspunkte genutzt, unter anderem St. Jacob in Göttingen, die Johanniskirche in Zittau, der Ägidienturm in Erfurt, die alle per Treppe oder Innenaufzug erschlossen sind. Am Samstag, 10. Februar, hat sich auch der Kongress »Offene Kirche« in Hamburg des Themas angenommen: Ein Workshop nennt sich »Tourismusmagnet, Aussichtspunkt oder Millionengrab«.

Artikel vom 07.02.2007