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Der Spitzenreiter hebt nicht ab

Schalker Fans feiern schon - aber Trainer und Spieler noch lange nicht

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Oh, wie ist das schön! Diese alte Scheibe war in der Gelsenkirchener Veltins-Arena wieder mal ein Hit. Die Fans, sie feierten den 2:0-Sieg ihrer Schalker gegen die Berliner Hertha und sie bejubelten zwei weitere Resultate. Bremen 1:4. Dortmund 0:3. Oh, wie war das schön.

Die 21. Runde, ein perfekter Spieltag für die »Königsblauen«, die ihre Spitzenposition auf sechs Punkte ausbauen konnten. Im Stadion schwappte die Begeisterung über. Auf einem Transparent stand: »Wir haben den Salat. Jungs holt die Schale.« Die Fans in der Nordkurve rückten das Silber-Stück - noch ist es nur aus Pappe - bereits in die Höhe.
Nach 49 unendlich langen Jahren scheint Titel Nummer acht zum Greifen nahe. Und Berlins Trainer Falko Götz wollte unbedingt der erste Gratulant sein: »Ich glaube, wir haben gegen den neuen deutschen Meister verloren.«
Schönen Dank, nicht nötig. Der Glückwunsch kommt viel zu früh. Sagen alle Beteiligten. Der Trainer. Der Manager. Und die Spieler. Klar, das Polster ist dicker geworden - aber Mirko Slomka freute sich nicht lange über den eigenen Sieg und die Bremer Niederlage in Stuttgart: »Wir müssen noch 13 schwere Partien absolvieren. Aber wir wissen natürlich, dass wir eine Truppe haben, die Meister werden kann.«
So sieht das auch Andreas Müller, der Manager. Er denkt an 2001 und 2005, als sich alle zu früh freuten, und spielt den Mahner: »Unser Team hat sich gefunden, wir haben eine tolle Serie hingelegt. Doch wir dürfen nicht träumen. Wir müssen in jeder Partie hellwach sein.«
Ganz meine Meinung - würde Kapitän Marcelo Bordon dazu sagen. Denn der Brasilianer bremste ebenfalls ab: »Wenn wir leichtsinnig werden und nicht immer 100 Prozent geben, dann sind wir da oben ganz schnell wieder weg.« Eine Ansicht, die Kollege Fabian Ernst teilt: »Wir haben ein Ziel, aber wir sind keine Träumer. Alle sollten ruhig bleiben.« Besser wär's, denn in diesem Klub besteht immer die Gefahr, dass Leute zu viel Wirbel machen und abheben.
Der Schalker Kreisel, er drehte sich ja noch in der Vorrunde ziemlich heftig. Verärgerte Fans, schweigende Spieler. Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen feiern sie ihre Serien-Sieger überschwänglich. Und die Kicker, sie reden wieder. Sogar sehr gern.
Sprachlose Spitzenreiter wollen Bordon und seine Kollegen nicht sein. Platz eins löst die Zungen und alle »Königsblauen« loben plötzlich auch das angeblich so prima Klima. Das hörte sich einst im düsteren Herbst noch ganz anders an. Da soll es verfeindete Cliquen und plappernde Maulwürfe gegeben haben.
Jetzt nicht mehr? Die meisterlichen Aussichten lassen alle zusammenrücken. Kevin Kuranyi ist begeistert: »Wir sind eine echte Einheit.« Wenn das so bleibt, dann steht dem achten Titel-Triumph ja kaum noch etwas im Wege. Und Ernst, er kennt bereits den gefährlichsten Gegner: »Wir können uns eigentlich nur noch selbst schlagen.« Der Mittelfeldmann wurde übrigens von Kuranyi gelobt: »Fabian hätte mal wieder eine Einladung zur Nationalelf verdient.« Dann spielte der Torjäger auch für seinen Torwart den DFB-Anwalt: »Und Manuel Neuer, den könnte Löw ebenfalls schon holen.«
Dass Schalke den sechsten Sieg in Serie feierte und nun bereits seit zwölf Spielen ungeschlagen ist, lag auch am erneut erstklassigen Neuer. Und an der Steigerung nach der Pause, denn zunächst spielte die Hausherren nicht wie ein kommender Meister. Kuranyi (64.) und Peter Lövenkrands (71.) sicherten den verdienten Erfolg.
Doch an diesem so schönen Schalker Nachmittag gab es auch eine schlechte Nachricht. Gustavo Varela zog sich einen Kreuzbandriss zu. Mit Gerald Asamoah und Christian Pander hat der Spitzenreiter schon zwei Langzeit-Verletzte. Es reicht langsam. Der Kader ist zwar stark, aber weitere Ausfälle könnten den Titelaspiranten entscheidend schwächen.

Artikel vom 12.02.2007