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Container kannten die nicht
Im Hamburger Hafen leben 100 Jahre Seefahrtsgeschichte in vier einsatzbereiten Museumsschiffen
Hamburg - das ist Hafen. Das ist noch immer Sehnsucht nach der großen weiten Welt. Das ist das Gewusel von Barkassen und Ausflugsbooten.
Das ist das Staunen vor der schieren Mächtigkeit der Containerriesen. Und das ist eine Mischung aus Volksfest und Ehrfurcht, wenn die Stars der Weltmeere, Luxusdampfer wie die »Queen Mary 2« oder »Freedom of the Seas«, an den St. Pauli Landungsbrücken Hof halten.
Der Hafen ist Gegenwart und Zukunft der Hansestadt. Großflächig entstehen in der »Hafencity« auf alten Kais und Speichern moderne Büros, trendige Wohnungen und die Elbphilharmonie als kulturelles »Dickschiff«. Aber Hamburgs Hafen ist auch ein ganz starkes Stück Geschichte.
Seit vielen Jahren liegen hier die Museumsschiffe »Rickmer Rickmers«, »Schaarhörn« und »Cap San Diego« vor Anker. Mit der »Old Lady« bekamen sie Ende Januar Verstärkung. Wer alle besichtigt hat, der entwickelt ein Gefühl dafür, was Seefahrt noch im vergangenen Jahrhundert bedeutete.
Seit 1986 liegt die »Cap San Diego« an der Überseebrücke - dort, wo im vorvergangenen Jahrhundert Zehntausende Auswanderer ihre Reise nach Amerika antraten. Sie war 1961 beim Stapellauf in der »Deutschen Werft Hamburg« ein hochmoderner großer Stückgutfrachter für die Südamerika-Route - und gleichwohl schon ein Relikt ihrer Zeit. Denn unaufhaltsam begannen bald die Container ihren Siegeszug als Standardbehälter für Schiffsfrachten. Schon 1981 war für die »Cap« deshalb Schluss. 20 Jahre - kein Alter für ein Schiff.
Der Hamburger Senat beschloss damals den Ankauf des heruntergekommenen ehemaligen »Weißen Schwans des Südatlantiks«. Die Stiftung Hamburger Admiralität nahm sie unter ihre Fittiche, in ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit wurde sie wieder herausgeputzt. Seit 20 Jahren ist die »Cap San Diego« nun schon der weltweit größte fahrtüchtige (!) Museumsfrachter.
Schmunzelnd nimmt der Besucher des Jahres 2007 den perfekten 60er-Jahre-Charme an Bord wahr: In den guten Stuben fuhren in gediegenem Ambiente bis zu zwölf Passagiere mit. Polstergruppen mit Nierentischen, Raucherzimmer, Messe und Bibliothek könnten einem »Schöner Wohnen« der Wirtschaftswunderzeit entstammen. Heute werden die Kabinen als Hotel genutzt.
Auch Feten am Pool sind möglich. Die gab's für gut zahlende Passagiere vermutlich auch in den besten aktiven Zeiten des Dampfers. Für die Mannschaft, die derweil unten im Bauch mit Ladung und Instandhaltung beschäftigt war, allerdings nicht...
Auch die frisch eingetroffene »Old Lady«, 1958 gebaut, gehört zur Gattung der Stückgutfrachter. Mit ihr wird das seefahrthistorische Areal der »50er Schuppen« im Hafenviertel Kleiner Grasbrook komplett. Etwa von April an soll sie zu besichtigen sein.
Die »50er Schuppen« sind im längst von Containerterminals geprägten Hafen das letzte noch erhaltene Stückgutverladezentrum aus der Kaiserzeit. Von 1908 bis 1912 gebaut, war das heute unter Denkmalschutz stehende Ensemble mit mehr als 37 000 Quadratmetern Fläche einst die modernste Anlage ihrer Art. Bis in die 1980er Jahre hinein sind hier die Ladungen ungezählter Seeschiffe aus aller Welt umgeschlagen worden. Hunderte von Hafenarbeitern fanden in den Schuppen ihr Auskommen, Tausende junger Hamburger haben hier gejobbt.
Die »Rickmer Rickmers« war noch eher da. 1896 in Bremerhaven gebaut, segelte das 96 Meter lange Stahlschiff mit Bambus, Reis und anderen Waren im Laderaum um die Welt. Nach einem Sturmschaden wurde sie modernisiert, fuhr danach unter verschiedenen Namen für diverse Reeder, schließlich sogar noch als Segelschulschiff der portugiesischen Marine. Am 7. Mai 1983 kam die »Rickmer Rickmers«, 87 Jahre alt und sehr klapprig, nach Hamburg. Heute ist der grün-weiß-rot gestrichene Großsegler im Besitz des Vereins Windjammer für Hamburg der Hingucker an den Landungsbrücken.
Von der gegenüberliegenden Elbseite aus geht unterdessen die alte Staatsyacht »Schaarhörn« im Sommer auf Fahrt. Das 1908 bei Janssen & Schmilinsky in Hamburg gebaute stählerne Dampfschiff hatten die stolzen Hanseaten wohl in Auftrag gegeben, um Kaiser Wilhelm II. bei Besuchen angemessen durch den Hafen schippern zu können. Allein, dazu kam es niemals.
Wie bei den anderen Hamburger Museumsschiffen liegen Betrieb und Pflege der knapp 42 Meter langen »Schaarhörn«, außen wie innen in Originalzustand, in den Händen von Freiwilligen. Auch für die »Old Lady«, die ihren alten Namen »Bleichen« wieder erhalten soll, unter dem sie zunächst für die Hamburger Gehrckens-Reederei gefahren war, wird ein eigener Verein gegründet. Oft arbeiten darin ehemalige Besatzungsmitglieder an der Instandsetzung mit.
Für 450 000 Euro aus Spenden hat die Stiftung Hamburg Maritim das Schiff vom letzten Eigner, einem türkischen Reeder, übernommen. Im Preis enthalten war bereits ein Werftaufenthalt in Istanbul. So kam die »Old Lady« am 30. Januar nach stürmischer Fahrt mit eigener Kraft unvergleichlich ansehnlicher in Hamburg an als ihrerzeit die »Cap San Diego« und die »Rickmer Rickmers«.
»Dass ein fast 50 Jahre eingesetztes Frachtschiff noch zu mehr als 90 Prozent dem Bauzustand entspricht, kommt einem Wunder gleich«, hatte Stiftungsvorstand Joachim Kaiser nach der ersten Besichtigung, noch am Schwarzen Meer, gesagt.
Da dürfen die künftigen Besucher wohl gespannt sein.Sönke Möhl
Ingo Steinsdörfer

Artikel vom 24.03.2007