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Nachdem Tanja Bökamp die Funktionsweise des Schwebebads erklärt hat, beginnt mein Selbstversuch. Ich steige in die eiförmige Kapsel. Links sind zwei Taster: einer schließt und öffnet den Deckel, der andere schaltet ein schwaches Licht an. Rechts ist eine Not-Taste, falls echte Panik aufkommt. Im Tank steht das Salzwasser 30 Zentimeter hoch, die Sole-Konzentration soll hoch genug sein, um mich zu tragen. Der Deckel schließt sich, und ich gleite langsam in das mit 34,5 Grad Celsius körperwarme Wasser hinein. Es umschließt mich, nur mein Gesicht und die Zehen ragen noch aus dem Wasser. Mein Herzschlag ist das einzige, was ich höre, und er ist in meiner Wahrnehmung unverhältnismässig laut. Innerhalb von Minuten wird der Körper in das Wasser hineingezogen, ist schwer und leicht zugleich. Kurz darauf spüre ich nichts mehr, ich bin nur noch Kopf.
Und der Kopf fängt an zu arbeiten. Gedanken flitzen hin und her. Blitze leuchten vor meinen Augen auf, Sterne, Farben, die ineinanderfließen. Ich beginne Gesichter zu sehen, die sich miteinander unterhalten. Eines gehört einer Katze. Sie sitzt vor einem Schatten, der einen Menschen darstellt und spricht mit ihm. Die ganze Zeit stehe ich daneben und beobachte mich. Ich weiß genau, dass ich noch da bin.
Sind das Halluzinationen? Bei Untersuchungen der Erscheinungen, die bei Reizentzug auftreten, fiel eines auf: Der Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer beschreibt in seinem Buch »Halluzinationen« (Springer-Verlag, 1988): »Differenziert man Halluzinationen, die bei sensorischer Deprivation auftreten, so ergeben sich deutliche Unterschiede nicht nur hinsichtlich der Häufigkeiten, sondern auch, was den zeitlichen Verlauf anbelangt: einfache Halluzinationen treten oft zu Beginn auf und werden dann komplexer.« Sprechende Katzen finde ich ziemlich komplex.
In meinem Schwebebad denke ich einige Minuten später darüber nach, ob Fische Glück empfinden können. Und dann, ob sich Sterben so anfühlt wie das, was ich gerade empfinde: Meinen Körper spüre ich nicht mehr. Ich habe den Eindruck eines sanften Hinübergleitens in eine Welt voller Farben und Licht, die ich durch meine Phantasie erzeuge. Auch in diesem Moment weiß ich, dass ich bei vollem Bewusstsein bin.
»Das ist völlig normal«, sagt Tanja Bökamp. »Immer wieder berichten Leute, die im Schwebebad waren, dass sie über die Themen Tod und Geburt nachdenken. Jeder hat seinen ganz eigenen Zugang zu seiner Gefühls- und Gedankenwelt. Bauchmenschen lassen sich eher auf solche Vorstellungen ein.«
Nach einer Stunde öffnet sich der Deckel der Kapsel. Das schummerige Licht in dem Raum erscheint mir wie die Sonne des ersten Tages. Meine Haut fühlt sich samtweich an. Ich fühle mich wie neugeboren.Esther Steinmeier

Artikel vom 09.02.2007