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Stadt zieht Konsequenzen aus dem »Fall Kevin«

Jugendbehörde erhält fünf weitere Planstellen

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Das Jugendamt, in Bielefeld aufgegangen in den vier »Dienstleistungszentren Jugend, Soziales, Wohnen«, erhält fünf zusätzliche Stellen im Bereich »erzieherische Hilfen«. Die Aufstockung soll dazu beitragen, dass es einen »Fall Kevin« in Bielefeld nicht geben wird.

Das Schicksal des Zweijährigen, der tot und mit den Spuren schwerer Misshandlungen im Kühlschrank der Bremer Wohnung seines Stiefvaters gefunden worden war, rührte im vergangenen Jahr das ganze Land und führte zu einer bundesweiten Diskussion darüber, ob die Jugendämter personell ausreichend ausgestattet sind und ihre Aufgaben noch in vollem Umfang wahrnehmen könnten. Schließlich hatte die Bremer Jugendbehörde den Jungen trotz vorhandener Warnzeichen wieder zu seinem Stiefvater gelassen.
Eine von Oberbürgermeister Eberhard David (CDU) eingesetzte Projektgruppe kam in ihrem im Januar vorgelegten Bericht zu dem Schluss, dass auch in Bielefeld Handlungsbedarf besteht. Für 4102 Fälle, hinter denen sich 5800 Kinder und Jugendliche verbergen, standen im vergangenen Jahr in den Dienstleistungszentren 57,6 Planstellen zur Verfügung.
»Der Schlüssel von 71 Fällen pro Mitarbeiter muss gesenkt werden«, meint Sozialdezernent Tim Kähler. Er begrüßt deshalb ausdrücklich die kurzfristige personelle Aufstockung und kündigte gestern darüber hinaus eine umfassende Organisationsuntersuchung im Bereich Erziehungshilfe an, mit der weitere Verbesserungen erreicht werden sollen.
Der Bedarf sei vorhanden. Innerhalb der vergangenen vier Jahre sei die Zahl der Fälle im Bereich der erzieherischen Hilfen um 22 Prozent gestiegen. Dabei gehe es nicht nur um Sorgerechtsstreitigkeiten von in Scheidung lebenden Eltern. Auch die Zahl schwerer Fälle, die dazu führen könnten, dass Kinder und Jugendliche aus Familien herausgenommen werden müssten, sei angestiegen.
Bereits 2005 hatte die Stadt damit begonnen, ihre personelle Ausstattung im Jugendbereich mit der anderer Städte zu vergleichen. Dabei kam heraus, dass Bielefeld eine deutlich geringere Stellenzahl aufwies als ähnliche Großstädte. »Allerdings sind die Zahlen nur schwierig miteinander zu vergleichen«, betont Kähler. So werde etwa die Hausaufgabenhilfe in anderen Städten von Jugendamtsmitarbeitern angeboten. In Bielefeld sei das Sache freier Träger.
Aufklärung über den tatsächlichen Personalbedarf soll die angekündigte Organisationsuntersuchung bringen. Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet.

Artikel vom 06.02.2007