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Neue Spur im Fanta-Mordfall?

Chemie-Arbeiter Johann I. wollte Kündigung nicht einfach hinnehmen

Von Christian Althoff
Minden (WB). Der Fanta-Mord an Chemiearbeiter Johann I. (44) aus Petershagen - er ist noch immer ungeklärt. Jetzt geht die Mordkommission einer neuen Spur nach: Wurde der Familienvater von einem Kollegen vergiftet, weil er nach seiner Kündigung um den Arbeitsplatz kämpfen wollte?

Johann I. war einer von 130 Arbeitern der BASF in Minden, die am 13. Dezember, einem Mittwoch, ihre Kündigung bekommen hatten. Der Chemiearbeiter, der seit zehn Jahren in dem Werk beschäftigt war, sollte zum 30. Juni 2007 entlassen werden.
»So kurz vor Weihnachten die Kündigung zu bekommen - das hat Johann fertiggemacht. Er dachte natürlich an seine beiden Kinder, die noch in der Ausbildung sind«, erinnert sich Lebensgefährtin Anna B. (41) aus Hiddenhausen (Kreis Herford). Erst jetzt sei ihr wieder eingefallen, was Johann I. ihr kurz vor seinem Tod berichtet habe: »Er erzählte mir, dass er am Donnerstag und Freitag nach der Kündigung unfähig gewesen sei zu arbeiten.« Er sei wie ein Raubtier im Käfig immer nur hin- und hergelaufen. »Johann sagte, der Vorarbeiter habe ihn schließlich gefragt, ob er nicht endlich wieder arbeiten wolle, aber er habe geantwortet, er sei zu aufgebracht. Er habe Angst, sich beim Mischen der Chemikalien zu vertun.«
In diesem Gespräch, das von zwei Kollegen verfolgt worden sei, habe Johann I. angekündigt, die Entlassung nicht einfach hinzunehmen, sondern sie am Montag von der Gewerkschaft überprüfen zu lassen. Anna B.: »Als die Entlassungsliste aufgestellt wurde, hat das Unternehmen natürlich auch die jeweilige persönliche Situation der Arbeiter berücksichtigt. Johann glaubte, er sei dabei ungewollt falsch eingestuft worden.« Für die BASF und den Betriebsrat galt Johann I. nämlich als verheirateter Familienvater mit zwei Kindern. »Tatsächlich hatte ihn seine Frau aber schon vor langer Zeit verlassen. Johann war quasi seit zwei Jahren alleinerziehender Vater, und er nahm an, er könne deshalb vielleicht doch noch von der Kündigungsliste rutschen.«
Bei der BASF soll sich herumgesprochen haben, dass Johann I. in dieser Angelegenheit am Montag, dem 18. Dezember, einen Termin bei der Gewerkschaft hatte. Ist ein ungekündigter Arbeiter in Panik geraten, weil er befürchtete, er werde nun möglicherweise statt Johann I. entlassen? Und hat dieser Mann deshalb Zyanid in die Fantaflasche von Johann I. sowie in die daneben stehende Mezzomix-Flasche von Arbeiter Afni Y. gefüllt?
»Wir werden das überprüfen«, sagt Staatsanwalt Christoph Mackel. Die Mordkommission gehe jeder möglichen Theorie nach, weil es bislang einfach keinen Anhaltspunkt für ein Motiv gebe. »Inzwischen ist beinahe die gesamte Belegschaft vernommen worden, ohne dass sich etwas Greifbares ergeben hat«, erklärte Mackel. Auch die Überprüfung der DNA-Spuren, die an den Flaschen gefunden worden seien, habe bisher nichts erbracht. Nachdem der Arbeiter am 18. Dezember im Aufenthaltsraum von der Fanta getrunken habe und zusammengebrochen sei, hätten zu viele Menschen die Flasche in die Hand genommen.
Eduard K. (40), Arbeitskollege und bester
Freund des Opfers, war an jenem Abend Augenzeuge und hatte später berichtet, dass viele Kollegen an der Fantaflasche gerochen hätten. »Es hatte ja niemand damit gerechnet, dass Johann einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Wir gingen doch alle von einem Unfall aus!«
Bis heute herrscht großes Misstrauen in der Belegschaft der BASF. Auf Anordnung des Geschäftsführers Dr. Roland Minges ist die Werkskantine weiterhin geschlossen, da niemand weiß, ob der Mörder weiteres Zyanid besitzt und vielleicht noch einmal zuschlägt. »Kaum ein Kollege schaut den anderen an, die meisten arbeiten still vor sich hin«, sagt Eduard K.
Chemiearbeiter Afni Y. aus Minden, der von seiner vergifteten Mezzomix-Limonade nichts getrunken hatte, soll einen psychischen Zusammenbruch erlitten haben. Aus dem Unternehmen hieß es gestern, er sei bereits seit dem 3. Januar krankgeschrieben.

Artikel vom 07.02.2007