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Der Rückzug ins Ich
Körperlos schweben - 60 Minuten im Floating-Tank
Bad Oeynhausen (WB). Plitsch-platsch. Mein Zeigefinger durchstößt die Wasseroberfläche. Das Geräusch, das er verursacht, klingt in meinen Ohren wie ein Donnerschlag. Die Bewegung des Wassers, die er ausgelöst hat, fühlt sich an wie eine riesige Welle, auf der ich getragen werde. Nach fast einer Stunde im Floating-Tank werden aus geringsten Ereignissen große Dramen. Sensorische Deprivation, der totale Reizentzug, erzeugt erstaunliche Wahrnehmungseffekte.
»Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei«, sprach Gott, der Herr und stellte Adam Eva zur Seite, dass »sie um ihn sei«. Isolation treibt Menschen in kürzester Zeit in den Wahnsinn, davon berichtet die Literatur am Beispiel Robinson Crusoes und auch die Geschichte anhand von eingeschlossenen Polarforschern und anderen verloren gegangenen Abenteurern. Aber es kann auch ein Zuviel an Reizen von außen geben. Der Rückzug von der täglichen Überflutung und Überforderung soll im Floating-Tank gelingen.
Der Tank ist eine eiförmige Kapsel, gefüllt mit 600 Liter Wasser auf 300 Kilogramm Epsom-Salz, einem wasserlöslichen Magnesiumsulfat. In diesem Tank geht man buchstäblich auf Tauchstation - hauptsächlich vor sich selbst. Das Ziel: nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen. Der Entzug aller Reize von außen soll einen einzigartigen Entspannungseffekt bewirken. Um das zu überprüfen, geht nur eins: der Selbstversuch.
Der Floating-Tank, oder wie es Tanja Bökamp nennt, das Schwebebad, ist das Kernstück der Wohlfühl-Oase mit dem Namen »Eigenzeit« in Bad Oeynhausen. Inhaberin Tanja Bökamp bietet diese Entspannungsmethode zumindest in Ostwestfalen exklusiv an. Die nächsten Einrichtungen dieser Art sind in Köln und Düsseldorf.
Die Methode ist über 50 Jahre alt. Der Neurophysiologe John Lilly hat 1954 den Isolationstank entwickelt, um menschliche Bewusstseinsebenen zu erforschen. Von seiner Zunft ebenso belächelt, wie sein Freund und Mitstreiter Timothy Leary, der Drogen-Papst der 70er Jahre, der mit Selbstversuchen ergründen wollte, wie man mit Hilfe von LSD andere Bewusstseinszustände erreichen kann, wollte Lilly ergründen, was unter totaler Isolation, der sensorischen Deprivation, im Hirn passiert. Heute wird der Isolationstank über die Wellness-Anwendung hinaus auch als Therapieform in der Psychiatrie genutzt. REST (Restricted Environmental Stimulation Technique) wird diese Behandlungstechnik genannt, die sogar die Lernleistung steigern soll.
90 Prozent der Gehirnaktivität sind durch Stimulation von außen, Muskel- und Nervenreizen ausgelöst. Was aber passiert, wenn diese Stimulantien abgeschaltet werden?

Artikel vom 09.02.2007