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Brahms' Erste:
Ein Roman in
vier Kapiteln

Jugendkonzert der Philharmoniker

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). »Die ganze erste Sinfonie von Johannes Brahms ist wie ein Roman in vier Kapiteln. Das erste handelt von einem Kampf. Da geht es ans Eingemachte. Am Ende bleibt kein Stein mehr auf dem anderen«, sagt Peter Kuhn. Donnerwetter. Solche Rede hätte man Bielefelds Generalmusikdirektor gar nicht zugetraut.

Doch der gab sich jugendnah, um Schülern der Gesamtschule Stieghorst und des Gymnasiums in Löhne das Werk anschaulich nahezubringen. Anlass war das erste Jugendkonzert der Bielefelder Philharmoniker, das im Rahmen der Konzertreihe »Musik voll fett« in der Ravensberger Spinnerei stattfand. Musste sich der Konzertbesucher des Freitagskonzertes noch mit dem schlichten Leitsatz »Vom Dunkeln ins Licht« begnügen, so gab es für die rund 100 Schüler weitaus komplexere Verständnishilfen, um der c-Moll-Sinfonie und ihrem eigenartigen Komponisten beizukommen.
Brahms komponierte die gesamte Sinfonie aus drei Grundbaustoffen, auch Motive genannt. Sie drücken Trauer und Frust, Schmerz und ein Hämmern aus und kommen immer wieder, ohne dass es langweilig würde, betonte Kuhn, der genau wie die Orchestermitglieder zivile Kleidung statt des Fracks trug. Beim Reden freilich bieb es nicht, wurden sämtliche Erläuterungen doch durch Musikbeispiele untermauert. Stück für Stück wurde das Werk Satz für Satz in seine Einzelbestandteile zerlegt und die charakteristischen Merkmale herausgefilter.
Die Brahmsche Melancholie des zweiten Satzes manifestierte sich als Grauschleier eines ansonsten heiteren Traumes. Die beschauliche Idylle des dritten Satzes wurde mit jemandem verglichen, der sich zuhause auf sein Sofa zurückzieht und eine Tafel Schokolade isst. Ansätze von Fröhlichkeit werden von den Violinen und Bratschen zunichte gemacht (Nö, lass mich in Ruhe). Am Schluss kommt auch das Frust-Motiv noch einmal zu seinem Recht, denn so richtig wohl fühlt sich der Typ auf seinem Sofa noch nicht. Typisch Brahms halt, der für die Miespetrigkeit seiner Musik oft von Zeitgenossen getadelt wurde. Brahms soll dann gesagt haben, er käme aus Norddeutschland und da seien die Kirschen halt nicht so süß wie im Süden.
Im vierten Kapitel löste sich die Katerstimmung dann doch noch in Jubel und Tumult auf. Die dunklen Wolken am Horizont sind verschwunden - Beethoven sei dank, dessen Oden-Thema Brahms trickreich zitiert. Für Hasen eine sehr amüsante Musikstunde. Für viele Jugendliche der erste Kontakt mit klassischer Musik. Man applaudierte freundlich, aber doch noch leicht befremdlich.

Artikel vom 07.02.2007