10.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zicken laden wir nicht ein
Olli Briesch (31) von »1live« über Radio, Stars und schlimme Versprecher
Olli Briesch ist eine der bekanntesten Stimmen bei »1live«. Der Sender des Westdeutschen Rundfunks ist in Nordrhein-Westfalen Vorreiter, wenn es um Radio für junge Leute geht. Jetzt wurde das Programm neu konzipiert, um es noch peppiger zu machen. Über die kleinen und großen Sorgen eines Radio-Mannes sprach JUGENDSTIL-Redakteur Jürgen Vahle mit Olli Briesch. Wenn man dich im Radio hört, dann meint man: Der hat nie schlechte Laune! Stimmt das?Nein, ich bin da wie jeder andere auch. Es gibt einfach Tage, an denen man k.o. ist, dann ist man vielleicht etwas stiller als sonst, lässt das aber nicht so raushängen. Gott sei Dank ist 1live kein »Gute-Laune-Radio«, bei dem der Moderator ein festgetackertes Dauergrinsen haben muss und alles toll findet. Wenn mir was nicht passt, wird es auch gesagt und nicht peinlich weggelächelt.

Radiomoderatoren zeichnen sich meist durch Witz und Schlagfertigkeit aus. Wo kann man das lernen?Ich war zwar früher auch eher schüchtern, aber von Grund auf erlernen kann man das glaube ich nicht. Das müsste ja ein dickes Lehrbuch sein, in dem auf alle möglichen Sachen eine schlagfertige Antwort steht. Es ist einfach eine Typ- und Charakterfrage und entwickelt sich während der Zeit. Mit genügend Routine und Sicherheit hat man während einer Sendung mehr Zeit und Ruhe, richtig zuzuhören und entsprechend zu reagieren.

Von einem Job als Radio-Mann träumen viele. Gibt es einen klassische Ausbildung?Es führen die unterschiedlichsten Wege zu diesem Beruf, aber keine klassische Ausbildung. Natürlich kann man ein journalistisches Volontariat absolvieren oder Journalismus studieren, das ist aber keine Garantie für einen Einstieg oder Erfolg als Moderator. Viele Kollegen sind genau wie ich so genannte Quereinsteiger und haben vorher teilweise etwas komplett anderes gemacht. Bei mir war es auch eine Kombination aus richtigen Gelegenheiten, Fleiß, Mut, etwas Glück und Menschen, die einem Tipps und Vertrauen gegeben haben. Man sollte auf jeden Fall erst mal alle Bereiche des Mediums beherrschen, bevor man sich ans Mikrofon stellt.

Was sagen deine Freunde zu deinem doch recht außergewöhnlichen Job. Gibt es Neider?Ab und zu kommt mal der ein oder andere Spruch, aber da ich zu den Sendungen morgens um 3.40 Uhr aus dem Bett muss, hält sich der Neid relativ in Grenzen. Da gibt es auch mal Mitleid!

Radio-Leute sollen ja Angst vor Versprechern haben. Was war dein schlimmster Versprecher?Ich musste eine neue Sängerin anmoderieren, wollte sagen: Jetzt eine frische, nette, junge Dame. Heraus kam »on air«: Jetzt eine fesche fette... und noch Schlimmeres. Danach will man einfach nur noch nach Hause gehen. Lag aber definitiv an der Abfolge dieser Wörter. Einfach mal selbst ausprobieren und schnell hintereinander aussprechen.

Bei 1live kommst du oft mit Stars und Sternchen zusammen. Sind die hinter den Kulissen so extravagant wie es oft den Anschein hat?Extravagante Zicken laden wir eigentlich nie ein, zumindest waren die Künstler, die ich so in der Sendung hatte, immer ganz natürlich und sympathisch. Oft sind die »kleinen« Stars die komplizierten und die großen Namen die netten und unkomplizierten. Paris Hilton kommt zum Beispiel mit einem 40-köpfigen Begleitkommando, Dave Gahan von Depeche Mode hingegen mit dem Taxi und steht auf einmal alleine in der Redaktion und fragt, wer ihn jetzt interviewt.

Von welchem Star warst du besonders angetan?Herbert Grönemeyer war mein erstes großes Interview, und ich fand ihn sehr herzlich und offen. Angetan war ich von Bon Jovi und seiner kulinarischen Einstellung. Vor einem Radiokonzert hat er das für ihn pompös aufgebaute Buffet mit allen möglichen Leckereien stehen lassen und sich Pommes mit Ketchup bestellt.

Bei 1live geht ihr Moderatoren nicht zimperlich miteinander um. Gibt es da nach der Sendung nicht manchmal Stress?Stress und Aufregung erlebe ich nach der Sendung nur im Berufsverkehr, aber sonst nicht. Mein Radio-Partner Micha und ich verstehen uns morgens ganz gut, da reicht oft schon ein Blick und der andere weiß, wo es lang geht. Als ich bei 1live angefangen habe, hat mir mein Chef die Ansage verpasst: »Dieser Sender hier ist eine a...lochfreie Zone, guck, dass es so bleibt« - und er hatte Recht. Habe selten mit so normalen und netten Leuten zusammengearbeitet, das ist selten in der Medienbranche.

1live hat zuletzt sein Sendekonzept geändert. Waren die Reaktionen eher pro oder contra?Wie bei allen Renovierungen gibt es immer den ein oder anderen, der die Möbel ein wenig anders angeordnet hätte, aber wir haben Berge von E-Mails bekommen, in denen sich die Leute darüber freuen, dass Micha und ich jetzt morgens zu zweit in den Tag starten, und das fünf Stunden lang.

Viele Radiomoderatoren machen später auch im Fernsehen Karriere. Thomas Gottschalk und Günther Jauch zum Beispiel. Sind das Vorbilder für dich?Ja, weil sie gute Moderatoren sind und vor allem authentisch. Dabei Jauch noch mehr als Gottschalk. Aber zu deren Anfängen war das einfach eine andere Zeit, die beiden waren irgendwann einmal im Fernsehen und konnten sich beweisen. Heute würden zehn Studien dazu gemacht, ob Jauchs Frisur zur Zielgruppe passt.

Artikel vom 10.02.2007