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Trend: nicht Kraft, sondern Kunst

Europas Top-Trainer ziehen Bilanz - Weltspitze größer geworden

Von Volker Krusche
Köln (WB). Die internationale Trainergilde ist sich einig: Die Weltmeisterschaft in Deutschland war das Beste, was der Handball bislang zu bieten hatte. Allerdings wurden auch kritische Stimmen laut. Gerade in Sachen Spielmodus und Abwehrarbeit.

Wo man auch hinhörte, überall wurden die hervorragende Organisation, die tollen Arenen und der überragende Zuschauerzuspruch in höchsten Tönen gelobt. »Mir wird die Weltmeisterschaft in Deutschland in Erinnerung bleiben, weil uns hier einfache Menschen ihre Sympathie geschenkt und uns unterstützt haben«, war Russland Vladimir Maximov begeistert. Und Polens Bogdan Wenta ergänzte mit Blick auf die vollen Hallen: »Hier hat der Handball auf der ganzen Linie gewonnen. Ich zolle den deutschen Fans eine hohe Anerkennung.« Für Ulrik Wilbek, den sympathischen Trainer der Dänen, »war es eine große Ehre, mit meiner Mannschaft ein Part dieser WM gewesen zu sein. Danke für dieses toll organisierte Turnier.«
Ins gleiche Horn stießen auch die Kollegen aus den anderen starken Nationen. Während man bei Frankreichs Claude Onesta (»Ich bleibe bei meiner Kritik an der sportlichen Ebene. Es kann Verbesserungen geben«) merkte, dass der Frust-Stachel nach dem Halbfinal-Aus gegen Deutschland noch tief saß, gingen die anderen sachlicher mit ihren Bewertungen um. Der Kroate Lino Cervar forderte, dass Weltmeisterschaften künftig nur an Verbände vergeben werden dürften, die volle Hallen garantieren würden. »Hier geht es nur um den Handball. Und eine WM ist die beste Plattform, um unsere Sportart nach vorn zu bringen.« Kritik äußerte er am Spielmodus. »Wir fahren mit einem faden Beigeschmack nach Hause. Das Spielsystem war unfair, da wir mit nur einer Niederlage im gesamten Turnier rausgeflogen sind. Da muss sich die IHF was Besseres einfallen lassen. Wahrheit und Klarheit müssen dabei vordergründig sein.«
Cervar erläuterte zudem noch eine weitere WM-Erkenntnis. »Die Kreativität, wie sie meine Mannschaft im Spiel ausdrückt, muss gefördert werden. Handball ist nicht Kraft, sondern Kunst. Vor allen Dingen ist er kein Krieg.«
Juan Carlos Pastor (Spanien) schlug in die gleiche Kerbe, allerdings mit Blick auf die Defensive: »Ich stelle mir die Frage, ob sich das harte, körperbetonte Abwehrspiel durchsetzt oder aber die Technik orientierte und dem Regelwerk entsprechende Deckungsarbeit den Vorzug erhalten wird.« Unterstützung erhielt er von Ulrik Wilbek, der hervorhob: »Man kann in der Weltspitze nur bestehen, wenn man über eine starke Abwehr mit exzellenten Torhütern verfügt. Doch die Deckungsarbeit muss so angelegt sein, dass sie den Handball nicht zerstört.«
Einig waren sich Wilbek und Islands Alfred Gislason indes über die vergrößerte Weltspitze. »Ungewöhnlich viele Spiele waren sehr, sehr eng. Das zeigt mir, dass die Spitze viel breiter ist als vor der WM angenommen. Mittlerweile kann fast jeder jeden schlagen«, erklärte Gislason.

Artikel vom 06.02.2007