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Karneval ums runde Leder

Die Handball-Weltmeister werden gefeiert und machen die Nacht durch

Köln/Wiehl (dpa). Die Karnevalshochburg Köln stand kopf, im sonst beschaulichen Wiehl fiel sogar der Unterricht aus und das Fernsehen verzeichnete Rekordquoten auf Fußball-Niveau.
Auch am Tag nach der landesweiten Party wurden die deutschen Handballer gefeiert, bejubelt und geehrt. Nach durchfeierter Nacht stand gestern der Empfang im Rathaus von Wiehl an, wo die WM-Delegation sich wie am Vortag in Köln ins »Goldene Buch« der Stadt eintrug. »Das ist ein perfekter Abschluss für eine perfekte WM«, sagte Ulrich Strombach, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB).
Schon am Sonntag gegen Mitternacht waren die Helden in ihrem Hotel von 5000 Anhängern empfangen worden. Begleitet von einem Feuerwerk war der deutsche Tross in Wiehl eingezogen. Ein Blaskapelle spielte, und die Hochrufe nahmen erst ein Ende, als Bundestrainer Heiner Brand sich am Fenster zeigte und den Leuten durch ein Megafon zurief: »Wir danken Euch. Das sind unvergessliche Momente.«
Florian Kehrmann und Michael Kraus schwenkten ausgelassen die deutsche Fahne, ehe sich die Spieler zurückzogen und im Kreise ihrer Familien und Freunde durch die Nacht tanzten. »Morgen wird es uns wahrscheinlich nicht so gut gehen«, hatte Brand schon vorher gemutmaßt. »Ich werde ein paar Bier trinken, aber ich denke nicht, dass ich sehr leistungsfähig bin.«
Die Euphorie hatte mit dem 29:24 im Endspiel gegen Polen einen unerwartenten Höhepunkt erreicht. Durchschnittlich 16,17 Millionen Zuschauer sahen den Erfolg in der ARD. »Das konnte keiner erwarten«, sagte ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf.
In einer ersten Reaktion kündigte er an, dass am kommenden Samstag entgegen der ursprünglichen Planung ein Bericht vom Bundesliga-Spiel des THW Kiel gegen HSV Hamburg gezeigt werden soll. »Wir wollen aber auch mit dem DHB reden, dass es bessere Länderspiele gibt, etwa eine WM-Revanche«, sagte Boßdorf.
Das Stimmungshoch aus der Kölnarena war am Sonntagabend ungebremst auf den Rathausplatz der Rheinmetropole geschwappt. Knapp 30 000 Fans drängten sich auf dem überfüllten Areal und waren außer Rand und Band. Aufgeputscht von Kölsch, Sekt und lauten Rhythmen warteten die Fans auf die Mannschaft.
Als die angeheiterten Kehrmann, Kraus & Co. dann um 21.35 Uhr auf dem Balkon auftauchten, entluden sich Stolz und Freude der Fans in explosionsartigem Jubel. »Was in Deutschland passiert, lässt mich nur noch ungläubig gucken. Das sind alles Dinge, die im Handball bisher noch gar nicht denkbar waren«, staunte Brand, der in den kommenden Tagen weiter bei PR-Terminen für den Handball werben will.
Den Gummersbacher, der von Oberbürgermeister Fritz Schramma zum »Bürger der Stadt Köln« ernannt wurde, berührten die Ereignisse stark. »Für mich und das ganze Team ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Für mich besonders, weil es in meiner erweiterten Heimat ist. Ich hatte ja schon allergisch reagiert auf das Wintermärchen, wenn es angesprochen wurde. Aber jetzt ist es wahr geworden«, bekannte Brand.
Ausgelassen genoss Michael Kraus die Party auf dem Rathausplatz. Der ehemalige »Bravo-Boy« sorgte für Aufruhr unter den meist weiblichen Fans: Als der beste Mittelspieler der WM mit nacktem Oberkörper vor den Absperrungen vor dem Rathaus herumsprang und -tanzte, konnten die Sicherheitskräfte kaum die Gitter halten, weil die kreischenden Anhängerinnen so sehr drückten.
Das nächste Mal zeigen sich die Weltmeister geschlossen am Samstag im »Aktuellen Sportstudio«. Deshalb wurde auch das Bundesligaspiel des TBV Lemgo gegen die HSG Düsseldorf von 19.30 auf 16 Uhr vorverlegt.

Artikel vom 06.02.2007