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EU fordert Deutschland
zu Vorreiterrolle auf

Merkel gegen pauschale Abgasgrenzwerte für Autos

Berlin (Reuters). EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hat von Deutschland größere Anstrengungen beim Klimaschutz gefordert. Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Deutschland sei hier »derzeit keineswegs Vorreiter«, sagte er.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zeigte sich zudem unnachgiebig im Streit mit der Regierung über strengere Treibhausgasauflagen für die deutsche Industrie und Energiekonzerne. Bundeskanzlerin Angela Merkel beanspruchte gleichwohl eine Vorreiterrolle, bekräftigte aber ihr Nein zu »pauschalen Abgasgrenzwerten« für Autos. Sie empfahl sparsames Autofahren und lehnte ein generelles Tempolimit ab.
Die Klimaschutzdebatte fachte auch die Diskussion über die Abkehr vom Ausstieg aus der Atomenergie wieder an.
Dimas sagte, Staaten wie Großbritannien und Schweden seien näher an ihrem Kyoto-Ziel für die Reduzierung der Treibhausgase als Deutschland. Andere wiederum versteckten sich hinter Deutschland. »Erst wenn Deutschland den schönen Reden Taten folgen lässt, können auch die anderen sich nicht mehr verstecken«, sagte der Umweltkommissar.
Merkel verwies darauf, dass Deutschland allein 75 Prozent der in der EU insgesamt zwischen 2008 und 2012 zu erbringenden Senkung der Treibhausgase leiste. Deutschland könne als »Vorreiter für andere bei Umwelttechnologien« neue Lösungen entwickeln, müsse aber auch den eigenen Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) weiter senken. Möglichkeiten dazu seien die stärkere Wärmeisolierung von Altbauten und sparsames Autofahren. »Wer zurückhaltend Auto fährt - nicht immer Vollgas gibt -, spart Benzin und verringert damit die CO2-Belastung«, sagte die Kanzlerin. »Die Diskussion über ein generelles Tempolimit sehe ich nicht.«
Bundesregierung und EU-Kommission streiten unter anderem über Klimaschutzvorgaben für die Autoindustrie. Dimas will die Branche gesetzlich verpflichten, den Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen ab 2012 im Schnitt auf 120 Gramm pro Kilometer zu reduzieren. Die Regierung sieht dadurch die Fertigung von Wagen der Groß- und Mittelklasse in Deutschland benachteiligt.
Merkel bekräftigte, notwendig seien »unterschiedliche Reduktionsziele für die verschiedenen Marktsegemente bei Autos«. Die deutsche Autoindustrie nannte es zwar richtig, dass die EU noch konsequenter auf den Klimaschutz setze. Die deutschen Autobauer würden dafür »hohe Milliardenbeträge« investieren, erklärte der Präsident des Verbandes der Automobilwirtschaft, Bernd Gottschalk. Einen einheitlichen CO2-Grenzwert für alle Fahrzeugtypen lehnte er ab.
Im Streit über den CO2-Jahresausstoß von Industrie und Energiekonzernen sagte EU-Kommissionschef Barroso: »Wir können unsere Kriterien nicht einfach auf die individuellen Wünsche einzelner Mitgliedstaaten zuschneiden. Das wäre unangemessen und unfair.«
Wirtschaftsminister Michael Glos bekräftigte, dass er den unter Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg ablehnt, verwies aber auf die Gesetzeslage: »Ich befürchte, dass wir diese Gesetzeslage in dieser Legislaturperiode nicht verändern können«, sagte der CSU-Politiker am Wochenende.
Auch Merkel wiederholte, dass aus ihrer Sicht die erneuerbaren Energien kein vollständiger Ersatz für die Atomkraft sein könnten, bei der kein CO2 abfällt. Sie halte sich aber an den Koalitionsvertrag. Darin hatte die SPD durchgesetzt, dass am Atomausstieg nicht gerüttelt wird.
SPD-Vorsitzender Kurt Beck warnte davor, auf die Rückkehr zur Atomkraft zu setzen, und forderte den Ausbau erneuerbarer Energien. Leitartikel

Artikel vom 05.02.2007