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»Fliegen wir, fliegt kein Airbus«

Proteste vor dem Werkstor - Tausende fürchten sich vor dem Jobverlust

Hamburg (dpa). Mehr als 24000 Mitarbeiter des Flugzeugherstellers Airbus protestierten am Freitag lautstark gegen den befürchteten Arbeitsplatzabbau. Mit Buh-Rufen und Pfiffen kommentieren sie in Hamburg, Varel, Bremen und Laupheim die Ausführungen der Firmenleitung.

Am niedersächsischen Airbus-Standort Varel haben die Mitarbeiter Wut im Bauch. Am Rande des kleinen, 25 000 Einwohner zählenden Städtchens machen sie ihrem Ärger über die Sanierungspläne bei Europas größtem Flugzeugbauer Luft. Seit Tagen brodelt hier die Gerüchteküche über die Auslagerung von Produktionszweigen, Arbeitsplatzabbau oder die Schließung ganzer Werke. Genaues weiß bislang niemand über das Sanierungskonzept »Power 8«. Als Personalchef Jörg Kutzim um »Vertrauen in das Management wirbt«, wird er ausgebuht. »Aufhören, aufhören, aufhören«, schallt es ihm entgegen.
Regierungschef Christian Wulff (CDU) unterstützt die Menschen und versucht, Mut zu machen. »Für die Fehlentscheidungen sind nicht die Beschäftigten haftbar zu machen.« Die Airbus-Beteiligten müssten Geld in den Konzern stecken. »Wir sind bereit, diesen Weg mitzugehen.« Niedersachsen und Bremen wollen sich ähnlich wie andere Bundesländer mit Aktienkäufen an Airbus beteiligen.
»Jede Verkleinerung der Beschäftigtenzahl hat enorme Auswirkungen auf die Stadt«, sagt der Bürgermeister von Nordenham, Georg Raffetseder. Dort arbeiten bei dem Flugzeugbauer mehr als 2200 Menschen. Es gebe in der Region keine adäquaten Ersatzarbeitsplätze. Sein Amtskollege in Varel, Gerd-Christian Wagner, glaubt nicht an eine Schließung des Werkes mit etwa 1300 Menschen. Das wäre eine »Katastrophe nicht nur für meine Stadt, sondern für das ganze Umland«, sagt er. Ähnlich ist das Bild im süddeutschen Laupheim. Auch Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) zeigt sich solidarisch: »Laupheim und die Region haben sich für Airbus verdient gemacht«, ruft er den Mitarbeitern zu.
Die Mitarbeiter strecken am Freitag rote Holz-Flugzeuge gen Himmel und halten Spruchbänder mit der Aufschrift »Wir streiten für unsere Zukunft« oder »Fliegen wir, fliegt kein Airbus mehr« in die Luft. Airbus will die Arbeitnehmervertreter voraussichtlich erst am 20. Februar über das Sanierungsprogramm informieren.
Am größten Airbus-Standort Hamburg geben sich die Arbeiter kämpferisch, schwenken Fahnen und machen mit Trillerpfeifen einen gehörigen Lärm, doch vielen ist die Unsicherheit anzumerken. »Das macht einem Angst und Bange. Es ist doch Arbeit ohne Ende da, Airbus boomt«, sagt der 45 Jahre alte Wolfgang, der seinen Nachnamen nicht nennen mag.
Und auch sein Chef gesteht, dass der Widerspruch zwischen vollen Auftragsbüchern und möglichen Stellenkürzungen kaum zu vermitteln sei. »Die Lage ist ja auch schwer zu verstehen«, sagt Airbus- Deutschlandchef Gerhard Puttfarcken. Angesichts der Unsicherheit über das Sparprogramm kann er nicht auf viel Verständnis hoffen. Immer wieder unterbrechen wütende Pfiffe die Rede. Den einzigen Applaus bekommt er für das Eingeständnis, dass auch die Airbusführung Fehler gemacht hat: »Selbstverständlich hat es Managementfehler gegeben. Wer wollte das leugnen.«

Artikel vom 03.02.2007