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Ein Team und das Projekt Gold

Deutschland vor dem Ziel: Fans und Physiotherapeuten helfen mit

Von Oliver Kreth
Wiehl (WB). Es waren zwar nicht Tausende, die die deutsche Handball-Nationalmannschaft am Donnerstag um 22.30 Uhr vor dem Hotel zur Post empfingen. Doch auch die Begrüßung durch 600 Fans nach dem Finaleinzug tat der Mannschaft gut, ließ einen Teil der Schmerzen vergessen.

»Das sind Sachen, von denen man träumt«, sagte Routinier Christian Schwarzer (TBV Lemgo) überwältigt. Aber der 37-Jährige erinnerte sofort daran, dass das »Projekt: GOLD 2007« noch nicht vollendet ist: »Das ganze Drumherum ist gut und schön. Aber wir haben noch ein Ziel: Wir wollen Weltmeister werden. Darauf müssen wir uns konzentrieren.«
Die Euphorie um die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) hat auch dem TV Top-Quoten beschert. Bis zu 15,34 Millionen Fans verfolgten das Halbfinale im ZDF. Die Übertragung erreichte im Schnitt 10,64 Millionen Zuschauer, erzielte damit einen Marktanteil von 41,3 Prozent.
Probleme mit den Anhängern hatte die Polizei in Wiehl nicht. Gegen Mitternacht war das Feuerwerk beendet. Die Spieler fanden dann aber immer noch nicht den verdienten Schlaf. Genau wie die medizinische Abteilung. Die fährt derzeit Doppelschichten.
Vor dem finalen Showdown an diesem Sonntag (16.30 Uhr/ARD live) gibt es noch viel zu tun. Nicht nur am trainingsfreien Freitag. Bis morgens um halb Drei hatten die Physiotherapeuten Peter Gräschus und Reinhold Roth nach dem Halbfinal-Thriller Hand an die Brand-Buben gelegt.
»Was die Physios hier leisten, ist Wahnsinn. Wenn sie vier Hände hätten, würden sie wahrscheinlich zwei Spieler gleichzeitig massieren«, lobte der Kieler Dominik Klein, der aber auch auf die Fanbegeisterung als Heilmittel setzt. »Die Stimmung am Donnerstag war einfach genial. Da findet man sogar noch nach 80 Spielminuten die Kraft, hinter Henning Fritz her zu rennen.«
Damit die Kräfte nicht doch noch vor dem Finale gegen Polen schwinden, überlässt das Team um Dr. Berthold Hallmaier nichts dem Zufall. Nach den Partien stehen auf dem Pflichtspeiseplan Malzbier, Salzstangen und Rosinen. »Doc« Hallmeier: »Da muss jeder zulangen, damit die Kohlehydratspeicher wieder aufgefüllt werden. Das wird kontrolliert.« Die geschätzten Schmerzcocktails, Massagen und Anwendungen aus der chinesischen Medizin tragen ebenfalls zur Erholung bei. »Ohne diese Geschichten würde wahrscheinlich keiner seine Form halten«, schwärmt Schwarzer.
Vorbehalte der Spieler gibt es nicht: Die lange Zusammenarbeit hat Vertrauen geschaffen. Ansonsten wäre die Blitzgenesung von Markus Baur unmöglich gewesen. Nur fünf Tage nach seiner Wadenzerrung stand er im Halbfinale gegen Frankreich wieder auf dem Feld. Für Hallmaier ist das auch eine Frage des Willens: »Er vertraut uns, wenn wir Grünes Licht geben. Ich habe ihm gesagt, deine Verletzung kann nicht schlimmer werden - und dass eine Stunde mit Schmerzen einfach dazu gehört.«
Verdammt viel möglich macht eben auch der gelebte Teamgeist. Kleins Zimmerkollege Florian Kehrmann (der Lemgoer wurde zum dritten Mal zum Handballer des Jahres gewählt) weiß um diese Kraft: »Dieser Geist hat sich entwickelt. Seit eineinhalb Jahren wussten wir, es kommt was Großes auf uns zu. Und das ziehen wir jetzt gemeinsam bis zum Ende durch.«
Selbst der Bundestrainer hat sich einem Fitnessprogramm unterzogen. Vor der WM joggte er intensiv, nahm drei bis vier Kilo ab und findet dadurch immer noch die Kraft für ein Freudentänzchen mit seinen Spielern. Die Parkett-Premiere fand nach dem Viertelfinale statt. »Ich habe gedacht, da machst du einfach mal mit«, erklärt Heiner Brand. So soll es auch nach dem Finale sein. Und dann werden sicher Tausende den DHB-Bus in Wiehl empfangen. Schlafen will dann sowieso keiner.

Artikel vom 03.02.2007