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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs

Dr. Dr. Markus Jacobs ist Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist.

In heutiger Zeit müssen von der durchschnittlichen Bevölkerung viele Informationen, Nachrichten und Lernstoffe verarbeitet werden. Eine Folge davon ist, dass die Bibel, das Buch der Bücher in unserer Welt, deutlich von ihrer absoluten Vorrangstellung eingebüßt hat. Die Bibel wird nicht mehr so viel gelesen und gehört wie zu anderen Zeiten. Folglich vermögen wesentlich weniger Menschen, Teile der Bibel auswendig wieder zu geben. Aus christlicher Sicht ist dies schade.
Manche Christen würden sogar sagen: Auswendig kann ich gar nichts aus der Bibel! Gott sei Dank stimmt das nicht. Denn es gibt wohl fast keinen erwachsenen Christen, der nicht wenigstens das Vater Unser auswendig kann - und dies ist nun einmal ein Zitat aus biblischen Texten.
Gut, werden manche nun innerlich erwidern, damit hört es dann aber auch schon auf. Vorsicht, denn es gibt eine Fülle von weiteren Bibelzitaten, die sehr viele Christen aus dem Kopf hersagen können - obwohl sie oft selbst nicht wissen, dass es Zitate sind.
Die stabile Quelle solcher Schriftzitate ist der Gottesdienst, die Liturgie. Jeder katholische und jeder evangelische Gottesdienst fängt an mit den Worten »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«. Auch dies ist ein wörtliches Zitat, dem Mund Jesu entnommen. Denn genau diese Worten sollten seine Jünger benutzen, wenn sie andere Menschen zu Christen machen würden. Sie sollten sie taufen »im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«. Es ist gut, dass die allermeisten Christen diese Worte auswendig beherrschen. Denn im Notfall sollten sie ja selbst einen Menschen mit diesen Worten und etwas Wasser taufen, wenn dieser sich in Lebensgefahr befindet und die Taufe erbittet.
Gerade die alten Liturgien sind übervoll von weiteren Schriftzitaten dieser Art. Insbesondere die katholische Messe ist in ihren Wechselgebeten im Grunde ein einziges Bibelzitat. Die Gläubigen beherrschen diese biblischen Sätze, selbst wenn sie ihre Quelle nicht genau nennen können.
Werden Gläubige nämlich zu Beginn der Messe angesprochen mit »Der Herr sei mit euch«, so antworten sie, fast etwas automatisch, mit »Und mit deinem Geiste«. Der erste Satz ist wörtliches Zitat der geistlichen Grußformeln sowohl aus dem Alten wie aus dem Neuen Testament (Buch Ruth und 2 Thess), die Antwort »Und mit deinem Geiste« ist ein Gegengruß aus dem 2. Timotheusbrief.
Die Kette solcher Aufzählungen ließe sich endlos verlängern. Weit mehr als vierzig kurze Zitate kommen in einer ganz normalen Heiligen Messe vor. Und die Bibelstellen, die dabei zitiert werden, gehen sogar in die Hunderte. Denn viele dieser Sätze sind in der Bibel sogar mehrfach belegt.
Es lohnt sich sehr, über die Quelle solcher Zitate nachzudenken. In jeder Messe taucht z. B. ein Lied bzw. ein Ruf auf, der mit den Worten »heilig, heilig, heilig« beginnt. Dass jeder Mitsingende oder Mitbetende bei diesen drei Worten sich unversehens in einen Engelchor hineinversetzt, wird klar, wenn man dieses Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja nachschlägt. Denn so singen, gemäß einer ekstatischen Schau dieses großen Visionärs, die Engel im Himmel unentwegt das Lob Gottes. Und weil die Geheime Offenbarung im Neuen Testament dies auch erwähnt, fand es Eingang in die Liturgie. So beherrschen gewissermaßen viele Gläubige auswendig ein paar Worte »Engelsgesang«. Die konkrete Umgebung darf dann jeder Mitbetende für einen Moment getrost vergessen und in das Lob Gottes einstimmen, das seit Ewigkeiten in jenen Welten erklingt, die wir Menschen nicht einmal wahrnehmen können.
Wer im Gottesdienst mitbetet, zitiert fast überall wörtlich aus der Bibel. Gut, dass der Gebetsschatz der Kirche eine solche grundlegende Sprache spricht. Sie ist ein unzerreißbares Band der Verbindung mit der Quelle des christlichen Glaubens in der Heiligen Schrift.

Artikel vom 03.02.2007