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Bejubelt wie
ein König

»Didi« Hallervorden in Dessau

Von Sophia-Caroline Kosel
Dessau (dpa). Der kleine Mann sitzt auf einem viel zu großen Thron und genießt späten Triumph: Dieter Hallervorden, gerade noch als »Nervensäge« auf der Theaterbühne seiner Heimatstadt Dessau gefeiert, wird noch lange nach der Premiere bejubelt wie ein König.
Plaudern im Theater in Dessau: Kabarettist Dieter »Didi« Hallervorden.Foto: dpa

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Weggang aus der Stadt ist der Schauspieler, Kabarettist, Regisseur und »Wühlmäuse«-Direktor nun Ehrenbürger von Dessau. Sein erster Kommentar: »Da ich die große Begabung habe, Lob und Anerkennung in unbegrenztem Maß ertragen zu können, bin ich heute Abend ganz zufrieden.« Die 1000 Zuschauer im ausverkauften Anhaltischen Theater waren vom ersten Moment an auf der Seite »ihres« Hauptdarstellers: Der Fotograf François Pignon (Hallervorden) betritt eines der beiden Hotelzimmer auf der Bühne - Applaus brandet auf. Kurz danach sitzt der an Liebeskummer leidende Pignon weinend auf dem Bett: Der Versuch, sich mit einer Gardinenkordel am Klo-Rohr zu erhängen, ist kläglich gescheitert. Es folgen zwei turbulente Stunden, in denen der Fotograf von seinem Hotelnachbarn, dem Berufskiller Jean Martin (Harald Effenberg), getröstet wird und versucht, seine durchgebrannte Frau Louise (Ursula- Rosamaria Gottert) zurückzugewinnen.
Der 1935 in Dessau geborene Enkel von Hans Hallervorden, Direktor im Gartenreich Dessau-Wörlitz, ging nach dem Abitur nach Berlin, um dort zu studieren. 1958 flüchtete er aus der DDR in den Westteil der Stadt, bewarb sich dort beim Kabarett »Die Stachelschweine« mit Wolfgang Gruner. Da er kein Glück hatte, gründete er aus Trotz seine eigene Kabarett-Bühne: »Die Wühlmäuse«. Noch immer ist er deren Chef.
1988, zum 775. Geburtstag von Dessau, bot der unterdessen auf der anderen Seite der Mauer berühmt gewordene Hallervorden eine Benefizveranstaltung zu Ehren seiner Heimatstadt an. »Irgendein zuständiger SED-Bonze warf meinen Brief damals unbeantwortet in den dafür zuständigen Papierkorb«, berichtet der Kabarettist. Etwa zehn Jahre später, die Mauer ist inzwischen weg, bekommt er doch noch Antwort aus Dessau. Selbst bei der Premierenfeier im Theater-Restaurant nimmt die späte Huldigung kein Ende: Überraschend ist Hallervordens einstiger Klassenlehrer samt Klassenbuch gekommen. Und das örtliche Brauhaus ernennt den berühmten Sohn der Stadt zum Ehrenmitglied, lädt ihn zum Kohlrouladenessen ein - und verspricht zeitlebens Bier umsonst.

Artikel vom 03.02.2007