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Jede Menge Power und ein einsamer Besucher


Hamburg (dpa). Sie singen, tanzen und rocken, was das Zeug hält: Fünf Yankee-Damen und -Herren in weißen Showbusiness-Outfits intonieren Hits von »New York, New York« bis »Oops, I Did It Again« und gehen sich dabei einander schon mal an die Wäsche. Gegen so viel Power scheint ein einsamer Besucher aus Old Germany nicht anzukommen - bescheiden versucht er es mit »Blau blüht der Enzian«. Aus diesem eher unedlen Sängerwettstreit formte Erik Gedeon sein Songdrama »Trostpreis für Deutschland«. Bei der Uraufführung des Stücks im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg jubelte das Publikum.
Der schwedisch-schweizerische Gedeon (43) leistet damit den jüngsten Beitrag zu einer Entwicklung, die 1995 am Schauspielhaus mit Franz Wittenbrinks »Die Sekretärinnen« (vor zwei Jahren in Bielefeld aufgeführt) begann und deren zweiter führender Schöpfer neben Wittenbrink er selber ist: die des Vormarschs von Popmusik-Collagen zu Themen der Gesellschaft an großen Bühnenhäusern. So schuf Gedeon, zuvor in Hannover tätig, 2001 am Hamburger Thalia-Theater den Longseller »Thalia Vista Social Club« über Menschen im Altersheim, 2006 in Dresden »Hartz IV - Das Musical« und am Schauspielhaus »Mein Ball« mit Hitler beim Endspiel im Führerbunker.
Für seinen »Trostpreis« baute ihm Bühnenbildner Ulrich Frommhold einen riesigen Konferenzraum mit Holzvertäfelung, Adler und Sternenbanner - eine Zentrale globaler Musik-Macht. Energievoll agieren darin Jürgen Uter, Tim Grobe, Sandra Maria Schöner, Kristin Graf und Andreas Grötzinger als mit Platin ausgezeichnete Plattenbosse - zynische Protagonisten vermeintlicher amerikanischer Wirtschaftsdominanz.
Doch auch Zweifel hinterlässt dieser »Trostpreis für Deutschland«. Das Schema der einander strukturell ähnlichen Songdramen wirkt langsam abgegriffen, die politischen Aussagensind ambitioniert, bleiben aber naiv und vage.

Artikel vom 03.02.2007