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Gewalt bringt Italiens
Fußball an den Abgrund

Zweiter Todesfall: Die Politik will drastisch reagieren

Catania (dpa). »Basta, jetzt reicht's!« Nach dem zweiten Toten binnen einer Woche zog Italiens Fußball-Verbandschef Luca Pancalli die Notbremse, sagte auf unbestimmte Zeit alle Ligaspiele und das für Mittwoch geplante Freundschafts-Länderspiel gegen Rumänien ab.
Freitagabend, das Fußballderby zwischen Catania Calcio und US Palermo auf Sizilien: Ein noch unbekannter Täter schleudert einen großen Stein ins das Auto, in dem der Polizist Filippo Racati sitzt. Das Wurfgeschoss trifft den 38-Jährigen am Kopf, wenig später stirbt er an inneren Blutungen. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Erst wenige Tage zuvor war ein Funktionär des Amateurliga-Clubs Sammartinese ums Leben gekommen, weil er in Krawallen nach einem Spiel versucht hatte, streitende Parteien zu trennen.
Von der Gewalt an den Abgrund getrieben, sagten Pancalli und Ministerpräsident Romano Prodi den so genannten »Ultras« den Kampf an. Prodi kündigte »drastische Maßnahmen« an. »Wir werden dieses Krebsgeschwür ausmerzen und den Fußball retten«, sagte Justizminister Clemente Mastella.
Italiens Fußball und seine bisher aussichtsreiche Bewerbung für die EM 2012 stehen am Scheideweg. »Ich bin schockiert, Italiens Fußball muss sich neu organisieren«, forderte FIFA-Präsident Sepp Blatter. Der Ball ruht, die Köpfe rauchen: Seit gestern berät die Regierung mit dem Fußball-Verband (FIGC) und dem Nationalen Olympischen Komitee (CONI). Dabei schieben sich Sport und Politik gegenseitig die Schuld zu. Die Vereine fordern ein härteres Vorgehen der Justiz, die Politik mahnt die Clubs, mehr Verantwortung für ihre Fans zu übernehmen.
Nach Informationen der »Gazzetta dello Sport« wollen die Clubs am kommenden Wochenende schon wieder spielen, die Regierung aber sei dagegen: Mindestens noch einen Spieltag Pause und dann zunächst Spiele ohne Publikum, laute der erste Kompromiss.
Die den Fans verordnete Denkpause müssen Sport und Politik nutzen, um den von Liga-Manipulationen, Rassismus und Gewalt zerfressenen Fußball in Italien überhaupt erst wieder möglich zu machen. »Wir spielen erst wieder, wenn drastische Maßnahmen ergriffen sind«, stellte Pancalli klar.
Auch die Clubs folgten ihm zunächst. Gestern aber bröckelte die Front schon. »Nicht zu spielen, ist auch keine Lösung«, sagte Clubchef Ivan Ruggieri von Atalanta Bergamo. Wie viele Clubchefs verlangt er, dass polizeibekannte Randalierer von den Stadien fern gehalten werden. »Diese Randalier sind Verbrecher und keine Fans«, sagte auch Palermos Präsident Maurizio Zamparini.
Nicht nur Clubs lehnen eine längere Pause ab. Auch Catanias Staatsanwalt Renato Papa ist dagegen: »So wird der Sport Geisel von Kriminellen«, meinte Papa. Seine Beamte nahmen 29 Randalierer fest, identifizieren konnten sie den Täter noch nicht. 71 Menschen waren verletzt worden.

Artikel vom 05.02.2007