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»Unter dem Lack lauert der Tod«

Bielefelder Polizei legte im vergangenen Jahr 170 marode Lkw still

Von Jens Heinze
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Bremsen, Lenkung oder Fahrwerk defekt - die technischen Kontrolleure der Bielefelder Polizei haben im vergangenen Jahr fast 170 Lastwagen wegen gravierender technischer Mängel stillgelegt. »Unter dem Lack lauert der Tod«, lautet das Fazit von Hauptkommissar Friedrich Coring und Arne-Gunnar Heitkamp über den Zustand der gestoppten Lkw.

Seit 13 Jahren fahnden Coring (54) und Heitkamp (52) nach den rollenden Zeitbomben auf den Straßen der Großstadt. Die Ermittler vom Verkehrskommissariat 12 (ehemals Verkehrsdienst der Polizei/siehe »Aktuelles Stichwort«) kennen inzwischen jeden denkbaren Lkw-Typ. In Sachen Kfz-Technik kann den beiden keiner mehr etwas vormachen. Das hat sich längst über die Stadtgrenzen hinaus bis weit nach Osteuropa herumgesprochen.
Außen hui, innen pfui: Unter glänzendem Lkw-Lack stecken funktionsuntüchtige Bremsen, ausgeschlagene Lenkungen oder sonstwie defekte Fahrwerke. Das haben Hauptkommissar Coring und Oberkommissar Heitkamp im vergangenen Jahr wieder zigfach gesehen. Insgesamt wurden von Bielefelds Ordnungshütern wegen gravierender technischer Fahrzeugmängel Strafgelder von knapp 70 000 Euro verhängt.
Die polnischen Spediteure führen die Negativ-Hitliste der maroden Lkw nach wie vor an. »Dabei haben die Polen nicht unbedingt die schlechtesten Lastwagen. Sie sind nur öfter als andere Nationen mit ihren Fahrzeugen auf Bielefelds Straßen vertreten«, sagen Coring und Heitkamp. Ein weiteres osteuropäisches Land hat sich 2006 auf Rang 2 vorgeschoben: »Die Ukrainer sind stark im Kommen.«
Ob und wie oft die EU-Neuzugänge Rumänien und Bulgarien künftig in der Negativstatistik der Polizei auftauchen werden, können Coring und Heitkamp nur erahnen. Dass die Rumänen und Bulgaren aber nicht mit Uraltlastwagen aus ehemaliger Ostblockproduktion anrollen, ist den Verkehrsfahndern durchaus klar: »Osteuropäische Spediteure fahren nur noch Lkw namhafter westeuropäischer Hersteller«, berichten die Kommissare. Doch nach zwei bis drei Jahren mache sich die enorme Laufleistung bei den schweren Fahrzeuge bemerkbar: »Dann geht es los mit den Mängeln an der Lastwagentechnik.«
Und es mangelt nicht nur am Zustand der Fahrzeuge, sondern auch an der Pflege des Personals in den Zugmaschinen. 3,86 Euro Stundenlohn für Lkw-Fahrer jenseits von Oder und Neiße hat es schon gegeben, fünf Euro die Stunde sind die Regel, erzählt Hauptkommissar Harald Pult, stellvertretender Leiter des Verkehrskommissariates 12. Meist werde nur die reine Fahrzeit bezahlt; das Warten beim Be- und Entladen gelte für manche osteuropäische Spedition nicht als Arbeitszeit ihrer Fahrer. »Der Wettbewerb auf den Straßen wird immer härter«, weiß Pult. Eine immer beliebtere Masche sei es zudem, Lastwagen zu überladen. Harald Pult: »Vier Tonnen mehr auf dem Auflieger sieht man dem Lkw nicht unbedingt an. Das offenbart sich erst beim Wiegen«.
Dass bei einigen schwarzen Schafen der Branche technische Mängel am tonnenschweren Kfz sogar bewusst verursacht werden, haben Hauptkommissar Coring und Oberkommissar Heitkamp erst wieder in der vergangenen Woche erfahren. Am 30. Januar stoppten die Kontrolleure einen mit Schnittholz beladenen ukrainischen Sattelzug auf der Detmolder Straße. An der Zugmaschine war die komplette Bremsanlage der Hinterachse demontiert worden. Grund: Mit Bremse ging es nicht mehr weiter, weil diese sich verkantet hatte.
Coring und Heitkamp verboten dem 44-jährigen Ukrainer hinter dem Steuer die Weiterfahrt und sorgten dafür, dass der 40-Tonner dort steht, wo er schon längst hingehört hätte - in eine Bielefelder Fachwerkstatt.

Artikel vom 07.02.2007