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Heiner Brand

»Ich habe überall intensiv gespürt, dass die Zuschauer auf unserer Seite waren.«

Leitartikel
Handball-Weltmeisterschaft

Ein Märchen
sucht ein
Happy End


Von Oliver Kreth
Denk ich an Handball in der Nacht, bin ich um meinen Schlaf gebracht. So oder so ähnlich denkt derzeit Deutschland. Mehr als 15 Millionen verfolgten den Halbfinal-Krimi gegen Europameister Frankreich am Donnerstag. Das weltmeisterliche Wintermärchen steuert jetzt auf ein Happy End zu. Die deutscheste aller Sportarten scheint endlich zu Hause angekommen zu sein.
Spannend wird es werden, ob die Sportart insgesamt von diesem aktuellen Boom auch langfristig profitieren kann. Verdient hätte sie es, denn schon immer war das nur 60 Minuten währende Ballspiel aktionsreich, von Zweikämpfen, Dynamik und vielen Toren geprägt.
Attribute, die in der vor allem durch das TV gezeichneten öffentlichen Wahrnehmung ziehen müssten. Und es ist ja mitnichten so, dass der Erfolg des aktuellen Kaders ein einmaliger wäre. Vizeweltmeister, Silbermedaillengewinner bei Olympia und auch Europameister 2004 war das Team von Bundestrainer Heiner Brand schon. Auswirkungen hatte das bisher kaum.
Sowohl die Handball-Nationalmannschaft als auch die Handball-Bundesliga fristen in der medialen Darstellung beim Fernsehen ein Schattendasein. Noch vor der WM taten sich die Sender schwer, dieses »attraktive Angebot«, so DHB-Präsident Dr. Ulrich Strombach, vernünftig ins Programm zu bekommen. Wer sämtliche Partien live sehen wollte, wurde aufs Internet verwiesen. Und bis wie beim »großen Bruder« Fußball für ein Länderspiel die »heilige Kuh« Tagesschau geschlachtet wird, ist es noch ein weiter Weg.
Das ist jemandem wie Heiner Brand nicht so wichtig. Der Gummersbacher machte während des Wintermärchens wenig Aufhebens um seine Person. Seit zehn Jahren ist er schon Bundestrainer und nach dem Finale an diesem Sonntag wird er auch nicht das Land und später seinen Job verlassen.
Die Flamme in ihm brennt eben etwas konstanter und entwickelt mehr Hitze als bei seinem Kollegen Jürgen Klinsmann, der seinen Sport angeblich nachhaltig verändern wollte und nach knapp zwei Jahren schon ausgelaugt aufgab. Egoismus ist eben kein Wesenszug des 54-Jährigen, der sich anders als Klinsmann nicht auf Kosten anderer profilieren muss oder Kasse machen will.
Nach der WM wird Brand, der auch mal mit einem Job im Ausland geliebäugelt hat, ein neues Vertragsangebot des nationalen Verbandes über das Jahr 2008 hinaus bekommen. Er wird es wohl annehmen. Denn der manchmal so unnahbar Wirkende hat die Begeisterung der Fans in sich aufgesogen - fast wie die Spieler. In seiner bescheidenen Art sagt er, er finde es schön, was momentan in Deutschland passiere, und nur bei hartnäckigem Nachfragen ergänzt Brand, ja, er sei auch ein bisschen stolz auf das bisher Erreichte.
Das können er und seine Spieler auch sein. Gemeinsam werden sie alles für ein märchenhaftes Happy End in Köln geben - und hoffen, dass danach weitere, nicht nur weltmeisterliche Glücksmonente folgen werden.

Artikel vom 03.02.2007