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»Bei uns weht heute ein anderer Wind«, freut sich Glück. Nach dem eher verunglückten, weil zu prozesslastigen von der Politik gestarteten und schnell gescheiterten Anlauf mit dem »Arbeitsamt 2000« hat sich nach Ansicht von Fachleuten das Modell der Agentur zwischenzeitlich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Peter Glück, vor knapp sieben Jahren aus dem Düsseldorfer Landesarbeitsamt gewissermaßen »an die Basis« gewechselt, auf seine erste Amtsleiterstelle in seiner 25-jährigen Tätigkeit für die Bundesbehörde, erlebte die nach eigenen Angaben wohl einschneidenste Veränderung des komplexen Systems »Arbeitsverwaltung« hautnah mit.
Es war der so genannte »Vermittlungsskandal« vor fünf Jahren, der auch Fehler innerhalb der »BA« (so heißt die Agentur immer noch) aufgedeckt hatte. Das neue System ist eindrucksvoll: Wesentlich weniger Verwaltung in Nürnberg, kürzere Wege, volle Verantwortung beim Vorstand und mehr Transparenz und Effektivität vor Ort. »Wir sind sehr viel mehr im Gespräch miteinander, diskutieren und analysieren die Ziele und die Ergebnisse«, sagt Glück. Der große Umbruch hat dafür gesorgt, dass sich selbst die Leistung einzelner Teams in einer Agentur in den regionalen Gesprächszirkeln wiederfindet.
Das neue Kundenzentrum ist der wichtigste und für die Kunden deutlich erlebbare Schritt auf dem Weg von der Behörde zum Dienstleister. Dazu hat die Trennung des Bereichs ALG I (Arbeitslosengeld I) bei der Agentur und ALG II bei den örtlichen Privatgesellschaften für Entlastung gesorgt.
Alle Beratungsgespräche in der Agentur werden terminiert. Im Haus unterwegs sind nur noch Klienten mit exaktem Ziel. Die Zeit der langen Flure voller Wartender und der Abrisszettel für die Reihenfolge sind Schnee von Gestern. Glück: »Die für das persönliche Schicksal äußerst bedeutsame Frage der beruflichen Zukunft erfordert besondere Aufmerksamkeit und wird deshalb nur noch in Gesprächen mit festem Zeitrahmen durchgeführt. Da können sich beide Seiten in Ruhe vorbereiten. Und für Kunden entfallen lästige Wartezeiten.« Neu sind auch die hoch gesteckten Ziele: Beim Arbeitslosengeld gibt es in 85 Prozent der Fälle sofort die Entscheidungsreife und die Höhe des Betrages. Und mehr als 80 Prozent aller Bewilligungen will die Agentur in 20 Tagen erledigt haben - egal wie schnell nach dem Eintreten des Anspruchs sich der Antragsteller an die Agentur wendet. Glück: »Wenn der nach 15 Tagen kommt, haben wir nur noch fünf Tage Zeit. Dann gilt es.« Beide Ziele haben die Bielefelder 2006 erreicht.
Wenn Peter Glück im April das Büro in der fünften Etage in Bielefeld gegen den Chefsessel der Agentur in Wesel tauscht, tut er das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Natürlich kommt er »heimatnäher« an seinen Hauptwohnsitz Düsseldorf und zu Ehefrau Anna, gibt das Wochenappartement in der Bielefelder City auf. Gleichzeitig verlässt er die Agentur am Kesselbrink zu einem Zeitpunkt, wo die Umstrukturierung gerade so deutlich Wirkung zeigt.
Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, die Konjunktur bewirkt Ergebnisse. Dazu sorgt der neue Service für Arbeitgeber dafür, dass neue Jobs und offene Stellen auch tatsächlich schnell Suchenden zugeführt werden können. Wer einen Job anbieten kann, darf nicht lange einen Ansprechpartner suchen müssen, unterstreicht Glück. Zehn Arbeitsvermittler in Bielefeld und sechs in Bielefeld kümmern sich derzeit ausschließlich um die Belange der Arbeitgeber. Wegen des guten Ergebnisses ist weitere personelle Aufstockung schon in Sicht. Und eine ebenso klar gegliederte Aufteilung aller Arbeitssuchenden in vier Sparten von Beratung bis zu Betreuung sorgt für optimierte, transparente Abläufe.
Das Ergebnis der modernen Agentur, aufbauend nicht zuletzt auf der Basis vielfältiger privater Beratungskompetenz von McKinsey & Co., verdeutlicht laut Glück den richtigen Weg. Natürlich sei man zunächst skeptisch gewesen, inzwischen aber überzeugt. Die Vorgehensweise könnte Hilfestellung geben beim Versuch, andere öffentliche Dienststellen ähnlich umzustrukturieren. Allerdings: Dass das System des »Vermittlungsscheines« als finanziell verlockend gedachte Hilfestellung zur Nutzung privater Arbeitsvermittler in nicht einmal sechs Prozent der Fälle tatsächlich eingelöst wurde, verdeutlicht laut Glück: »Die Privatisierung ist nicht das Allheilmittel.«
Nichts geändert hat sich in der Agentur für Arbeit an einer der wesentlichen Aufgaben. Etwa die Hälfte des 18 Millionen Euro-Budgets geht allein drauf für die Eingliederungshilfen für Jugendliche, für Vorbereitungsmaßnahmen vom Bewerbungstraining bis zur Berufsfindung, um überhaupt einen ersten Schritt in das weite Feld des Berufslebens zu tun. Peter Glück: »Eigentlich müsste jeder Jugendliche mit 16 Jahren so weit sein, solche Dinge allein zu können.« Viele Weichen sind längst gesellschaftspolitisch falsch gestellt worden.

Artikel vom 03.02.2007