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»Betroffen sind allein die mittleren Unternehmen, die ihre Kapitalbasis nicht weitergeben können.«

Leitartikel
Erbschaftsteuer

Existenz des Mittelstandes gefährdet


Von Eberhard Hamer
Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen, dass Grundbesitz und Betriebsvermögen mittelständischer Unternehmen nicht mehr günstiger bewertet werden dürfen als Geldvermögen. Betriebsinhaber, die künftig Immobilien und Betriebsvermögen vererben, kann nicht mehr mit Abschlägen rechnen, sondern müssen die volle Versteuerung fürchten.
Kapitalgesellschaften sterben nicht und vererben nichts, sind also von einer Verschärfung der Erbschaftsteuer nicht berührt. Auch die etwa halbe Million »Reiche« wird mit dem neuen Erbschaftsteuerbeschluss leben können, weil sie steuerlich ausgewandert ist oder das demnächst tut.
Betroffen ist allein der Mittelstand, der sein durch höhere Leistung erworbenes Geld nicht verjubelt, sondern gespart hat oder wer als Selbständiger den Mut zur Gründung und zum Aufbau eines eigenen Unternehmens besaß.
Seit jeher gehört Immobilienbesitz zur Hauptalters- und Hauptfamiliensicherung des Mittelstandes, der zum Teil aus öffentlichen Alterssicherungen ausgeschlossen war oder Appelle zu einer Zusatzsicherung ernster genommen hat als andere. Für ihn bedeutet der Gerichtsbeschluss, dass er erworbenen Wohlstand nicht mehr an die Kinder weitergeben kann, dass der Staat wie in allen sozialistischen Ländern progressiv nach der Erbschaft greift.
Noch schlimmer trifft es den gewerblichen Mittelstand der selbständigen Inhaberunternehmer, die Immobilien- und Sachvermögen in ihrem Betrieb unverzichtbar halten müssen, weil sie ohne diese Sicherungsbasis keinen Kredit bekommen.
Zwar hat der Gesetzgeber eine zehn jährige Stundung und ratenmäßige Tilgung der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen vorgesehen - wie das Bundesverfassungsgericht im Einheitswerturteil selbst bereits empfohlen hat -, diese Stundung wird jedoch an Betriebsumfang und Arbeitsplatzgarantie gebunden. Wer diese nicht einhalten kann, ist gekniffen.
Der Spruch des Verfassungsgerichts richtet sich einseitig gegen den deutschen Mittelstand getreu der Parole von Oskar Lafontaine: »Erben ist immer unverdientes Einkommen!« Parolen, die im gesamten Mitte-Links-Lager vertreten werden.
Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen durfte im ersten Einheitswerturteil das Verfassungsgericht beraten und hat den Stundungsvorschlag eingebracht. Ob der Gesetzgeber diesen auch im zweiten Beschluss angedeuteten Vorschlag durch die beabsichtigten Sozialauflagen wieder aushöhlt, bleibt abzuwarten.
Das Mittelstandsinstitut hat jedenfalls den gesamten gewerblichen Mittelstand aufgerufen, Steuervermeidungsstrategien zu ergreifen. Immerhin gibt die Globalisierung inzwischen genügend Möglichkeiten und Rechtskonstruktionen, Erbschaften dort anfallen zu lassen, wo sie nicht oder am geringsten besteuert werden. Erbschaftsteuervermeidung lohnt künftig nicht nur für Reiche, sondern auch für den Mittelstand - wird aber die Steuereinnahmen des Staates eher vermindern.

Artikel vom 06.02.2007