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Er ist der »Pferde-Schüttler«

Olaf Nolting therapiert und trainiert Vierbeiner auf »Rüttelplatten«

Von Christian Althoff
Kalletal (WB). Ein Fitness-Studio für Pferde: Auf seinem Therapiehof in Kalletal (Kreis Lippe) bringt Olaf Nolting (39) kranke und gesunde Vierbeiner mit einem neuartigen Trainingsgerät auf Trab - als erster Anbieter in Ostwestfalen-Lippe.

Ina Schweikardt (36) ist mit ihrer 19 Jahre alten Ponystute Anja eigens aus Rheda-Wiedenbrück angereist, wo sie sich auf ihrem Pferdeschutzhof »Four Seasons« um 26 Tiere kümmert. »Anja hatte nach einem Sturz eine Knochenabsplitterung hinten rechts an der Hüfte. Das Knochenstück wurde operativ entfernt, aber anschließend lahmte das Pony - offenbar weil die Muskulatur an der Hüfte stark gereizt war.«
Auf dem Hof von Huftechniker Olaf Nolting führt die Reiterin die Stute in den Therapiestand, bis jeder Fuß auf einer eigenen Bodenplatte steht. Der Stand wird verschlossen, dann schaltet Nolting das Gerät ein, das leise zu brummen beginnt. »Die vier Stahlplatten werden in horizontale und vertikale Vibrationen versetzt«, sagt der 39-Jährige.
Zwischen zehn und 25 Schwingungen pro Sekunde kann er an dem Steuerpult einstellen, im Bedarfsfall kann die Frequenz für jede Platte individuell gewählt werden. Den Effekt erklärt Tierarzt Dr. Helmut Marquis aus Heidenheim (Baden-Württemberg), der das Gerät entwickelt hat: »Der Pferdkörper wird gezwungen, den feinen Schwingungen entgegenzuwirken. Dabei werden winzig kleinen Kontraktionen in den Muskeln ausgelöst. So wird die Muskulatur auf sehr schonende Weise trainiert, zudem wird die Durchblutung bis tief ins Gewebe angeregt.«
Dies könne mit der üblichen Rotlicht-Bestrahlung nicht erreicht werden. Marquis hat inzwischen ein Gerät in der Pferdeklinik der Uni München aufgestellt, wo Prof. Dr. Hartmut Gerhards derzeit eine Studie über die Wirkung der schwingenden Platten durchführt.
20 Minuten lässt Olaf Nolting die Pferde gewöhnlich in seinem Therapiestand. Obwohl die Tiere stillstehen und die leichte Vibration unter ihren Hufen offenbar genießen, sind sie nach der Behandlung nassgeschwitzt - ein Zeichen der zwar sanften, aber doch intensiven Muskelbeanspruchung. »Ich bin im Dezember schon einmal hier gewesen«, erzählt Ina Schweikardt. Sie sei mit der lahmenden Anja auf den Hof gekommen und mit einer normal laufenden Stute wieder abgefahren. »Der positive Effekt hat etwa zwei Wochen angehalten. Ich werden noch einige Male kommen müssen, bis die Muskulatur über der OP-Stelle völlig geheilt ist«, meint sie.
1,50 Euro verlangt Olaf Nolting pro Minute in seinem 40 000 Euro teuren Therapiestand. »Pferde dürfen sich nach Operationen oftmals nicht bewegen«, erklärt er. Dies führe zum Muskelabbau und verlangsame wegen der reduzierten Durchblutung die Heilung. »Beides kann durch Nutzung des Therapiestandes vermieden werden.«
Es kämen aber nicht nur Reiter zu ihm, deren Pferde an Huf-, Knochen-, Muskel- und Sehnenerkrankungen litten, sagt der Huftechniker, der sein Handwerk bei dem in Reiterkreisen international bekannten Hufschmied und Buchautor Fritz Rödder aus Stadthagen gelernt hat. Auch Turnierreiter stellten ihre Tiere bei ihm unter: »Einige fahren in Urlaub und möchten, dass ihre Tiere fit bleiben, ohne dass sie von einem Fremden geritten werden. Andere wollen vor Wettkämpfen die Muskulatur ihres Tieres aufbauen, ohne das übliche Verletzungsrisiko eines Trainings einzugehen.«
Tierarzt Dr. Marquis: »Die Pferde werden so locker, dass sich ein ganz neues Reitgefühl einstellt.«

Artikel vom 02.02.2007