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Ein Frauenheld macht den Männern Beine

Trainer Ulrik Wilbek schreibt in Dänemark Geschichte

Von Volker Krusche
und Lars Krückemeyer
Hamburg (WB). Er ist ein Held in Dänemark, ein »Frauen-Held«. Aber Ulrik Wilbek ist kein Frauenschwarm. Trotzdem ist der Grundschullehrer für Dänisch und Englisch ein Erfolgsmensch, ein zufriedener dazu.

Nach Olympiasieg und Weltmeistertitel mit dem Frauenteam der Skandinavier schreibt Wilbek nun seine Erfolgsgeschichte mit den Männern fort. Der nächste Schritt soll heute im WM-Halbfinale (20 Uhr/DSF live) gegen Polen gemacht werden.
Ulrik Wilbek lehnt sich zurück, atmet ein, zwei Mal tief durch. Der 48-Jährige nimmt seine Brille vom Kopf und streicht mit der Handfläche den Schweiß von der Stirn. Wilbek ist geschafft - aber er hat es auch geschafft. Dänemark steht in der Runde der letzten Vier - nach einem Handball-Krimi.
Bereits am Abgrund stehend, profitierten er und seine Jungs von einem Anfängerfehler des Isländers Alexander Petterson, der beim 41:41 zu früh den Ball gegen den Pfosten warf und damit die verbleibende Zeit verschenkte. 15 Sekunden, die die Dänen zum Sieg nutzten.
»Ich hatte mit Jesper Jensen abgemacht, dass er keine Aktion einleiten soll, bevor nicht die letzten zehn Sekunden anbrechen würden. Dann soll er zu Lars Möller Madsen passen, der den Ball einfach ins Tor wirft.« So einfach geht das. Doch die Realität sieht meistens anders aus. Dieses Mal aber nicht. Alles geschah so, wie es Ulrik Wilbek geplant hatte: ruhiger Aufbau, Pass zu Madsen, Hammer, Tor und Sieg.
Lars Rasmussen, einst für GWD Minden am Ball, drehte nun wie all seine Teamkollegen fast durch: »Ich kann meine Gefühle nicht beschreiben. Das ist das Größte, was ich als Handballer bislang erlebt habe. Irgendwie so, als wäre ich gerade Vater geworden - obwohl ich das noch nicht probiert habe.«
Für diese Dänen scheint jetzt alles möglich. Und einer weiß, warum. Ihr Coach: »Ich habe vor Beginn der Weltmeisterschaft gesagt, dass die Mannschaft mit dem breitesten Kader die größten Chancen zum Erfolg besitzt. Einige Teams haben nur zehn Spieler, ich habe achtzehn.«
Ulrik Wilbek scheint aus diesem Reservoir immer wieder einen neuen Trumpf aus dem Hut zu zaubern. Nach dem Ausfall des »Traktors«, so nennen sie Joachim Boldsen, der eigentlich im Angriff das Sagen hat, sprang Lars Möller Madsen ein. Er war erst zur Hauptrunde nominiert worden. Das Ungetüm im linken Rückraum mit riesigem Durchsetzungsvermögen, ließ es dann sofort mächtig krachen: neun Würfe, neun Tore. Keine Frage: Er war gegen Island der Matchwinner.
Vor dem Halbfinale gegen Polen kann Wilbek in Sachen Boldsen (Knieblessur) Entwarnung geben. In Hamburg kommt es heute nun zum Duell zwischen dänischem Spielwitz und polnischer Rückraum-Wucht.
Alle Beteiligten kennen sich gut. In den vergangenen 18 Monaten trafen beide Teams gleich fünf Mal aufeinander: drei Siege gingen an Wilbeks Dänen, zwei Mal durften sich Wentas Polen freuen.
In Hamburg ließ sich Ulrik Wilbek nach dem Viertelfinal-Triumph irgendwann ein Bier geben lassen, ein echtes Sieger-Bier. Dabei kam er dann sehr gern auf die Unterschiede zu sprechen, die er bei seiner Arbeit mit den dänischen Nationalteams erkannt hat: »Der liegt darin, dass ich die Frauen bei Übungen allein lassen konnte, die Männer aber nicht. Dafür üben die Männer auch nach Trainingsende noch Würfe, währen die Frauen lieber zusammensitzen und quatschen.«

Artikel vom 01.02.2007