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Kommissar wittert Wandel im Raucher-Paradies Deutschland

Ein Grieche aus Brüssel kämpft gegen den blauen Dunst in ganz Europa

Von Roland Siegloff
Brüssel (dpa). Der Wind hat sich gedreht. »Sogar in Ländern wie Deutschland« bemerkt EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou inzwischen »eine sachliche Diskussion« über Rauchverbote.
Markos Kyprianou.
Damit greife der Trend zum Tabak-Bann endlich auch auf Europas Nikotin-Hochburgen über: »Deutschland galt ja immer als ein Paradies für Raucher und die Tabakindustrie«, erinnert sich der Kommissar.
Alle 27 EU-Länder sollen nach dem Willen Kyprianous ein Rauchverbot an Arbeitsplätzen, in Verkehrsmitteln, Hotels und Gaststätten einführen. Irland und Malta, Italien und Schottland seien schon im Kampf gegen die Kippe mit gutem Beispiel vorangegangen. Europäische Gesetze wären überflüssig, wenn alle Mitgliedstaaten dem folgen würden. Die genaue Ausgestaltung von Rauchverboten wäre dann ihnen überlassen.
»Wenn das Ergebnis unserer Konsultationen aber ist, dass es eine europäische Gesetzgebung geben soll, dann würde diese natürlich auch für Deutschland und alle 16 Bundesländer gelten«, warnt Kyprianou. Wie solche EU-Gesetze aussehen könnten, hat die Kommission in ihrem Diskussionspapier »Hin zu einem Europa ohne Tabakrauch: Optionen der Politik auf EU-Ebene« schon ausgemalt.
Die EU-Richtlinie zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz könnte beispielsweise so geändert werden, dass auch Mitarbeiter von Gaststätten vor dem Qualm rauchender Gäste bewahrt werden müssten. Oder Brüssel könnte den Zigarettenrauch in die Richtlinie zu gefährlichen Stoffen aufnehmen. Auch das hätte verbindliche gesetzliche Konsequenzen, betont die Kommission.
In Irland fiel die Zahl nichtrauchender Barkeeper, die mit Atemwegsproblemen zum Arzt kommen, laut »British Medical Journal« nach Einführung des dortigen Rauchverbots um 17 Prozent. Selbst die irische Kneipe gegenüber von Kyprianous Büro in Brüssel wurde zur (fast) rauchfreien Zone: Die aussterbende Spezies der Raucher ist dort gemäß belgischer Gesetzgebung hinter Glaswände verbannt.
Das Ziel zählt: »Wir begrüßen jeden Schritt, der die schrecklichen Folgen des Rauchens auf die Gesundheit der europäischen Bürger verringert«, erklärte Alexander Macara vom Ärzte-Ausschuss der EU zusammen mit dem Arznei-Fachmann John Chave. Die Mediziner erwarten, dass Rauchverbote die Zahl von jährlich 79 000 Todesfällen durch Passivrauchen in Europa drastisch senken werden.
Auch den Rauchern helfen die Verbote nach Meinung von Kyprianou. Ihre Sucht sei kein Schicksal: »Als ich Raucher war, habe ich drei Päckchen am Tag geraucht«, sagt der Kommissar. »Und wenn ich das Rauchen aufgeben konnte, dann kann es jeder andere auch.« Mehr denn je biete die EU-Kommission den Rauchern Hilfe an, um von der Zigarette loszukommen.
Es müsste eine Lösung ohne strafbewehrte Vorschriften geben. Wenn die Vernunft und das Herz, ganz nah an der nach Frischluft ringenden Lunge, allein das Sagen hätten, wäre Europa längst am Ziel, weiß der Nicht-(mehr)-Raucher aus Südeuropa, dessen Land mit dem Tabakanbau reich geworden ist.

Artikel vom 31.01.2007