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Erfahrung lehrt:
Gott sorgt gut
für seine Leute

Rolf-Rüdiger Schuster im Erzählcafé

Brackwede (ptr). Ein Lebensmotto von Rolf-Rüdiger Schuster lautet: »Kein Mensch kann allein die ganze Welt retten, aber jeder kann für etwas mehr Liebe in seinem Umfeld sorgen.« Als Mitbegründer des Bielefelder Tisches geht der Pastor selbst mit gutem Beispiel voran.

Über die Geschichte und Arbeit der Einrichtung, die seit Januar 1996 bedürftige Menschen regelmäßig und kostenlos mit einer warmen Mahlzeit versorgt, berichtete Schuster im Erzählcafé. Grundlage für den Bielefelder Tisch waren die Obdachlosenfeiern vieler Gemeinden zu Weihnachten. »Irgendwann haben wir uns gefragt, warum wir immer nur einmal im Jahr an die Bedürftigen denken und sie anschließend wieder für zwölf Monate vergessen«, sagt Schuster. Die Idee einer regelmäßigen Suppenküche war geboren. Zunächst konnte die Essensausgabe in den Räumen der Heilsarmee an der Siegfriedstraße erfolgen. »Offizier Markus Piechot hat sich damals sehr stark engagiert, aber als er vier Monate später aus Bielefeld fortzog, waren wir selbst obdachlos - so wie viele unsere Gäste.«
Den Sommer über wurde der Bielefelder Tisch im Freien auf dem Siegfriedplatz aufrecht erhalten. »Jeden Samstag haben wir Suppe, belegte Brötchen und Kaffee ausgegeben und es hat nicht einmal geregnet. Da haben wir zum ersten Mal gemerkt: Gott sorgt für seine Leute«, sagt Schuster, der 1975 auch die erste mennonitische Gemeinde in Brackwede gründete. »Unsere ersten Gottesdienst haben wir in den Räumen über dem Modehaus Kolck abgehalten.«
Im Herbst fand der Bielefelder Tisch in der Beratungsstelle für Obdachlose der Stadt Bielefeld an der Kavalleriestraße ein neues Zuhause, im September 1998 erfolgte der Umzug in die Sudbrackstraße, in die ehemaligen Räume einer griechischen Schule. »Dort herrschten schlimme hygienische Zustände. Toiletten, Fußboden, Wände - alles war sanierungsbedürftig«, sagt Schuster.
Man habe damals nicht gewusst, wie das zu finanzieren sei, bis plötzlich eine größere Spende angekündigt wurde. Ein Bielefelder Kaufmann hatte sich zu seinem Geburtstag anstelle von Geschenken Spenden für eine gemeinnützige Einrichtung gewünscht. »26 000 Mark haben wir bekommen - genau so viel, wie wir für den Umbau brauchten«, sagt Schuster. »Könnte ich mein Leben heute noch einmal neu starten, würde ich dank solcher Erfahrungen viel mehr auf Gott vertrauen, anstatt alles selbst machen zu wollen. Ich glaube es macht ihm großen Spaß, uns immer wieder neu zu überraschen.«
Seit fünf Jahren finden Bedürftige den Bielefelder Tisch mittlerweile an der Heeper Straße. 120 bis 150 Personen kommen regelmäßig, Essensausgabe ist immer dienstags, donnerstags und samstags. Neben Suppe gibt es dann auch Reis, Kartoffeln, Gemüse und Fleisch sowie ein Stück Kuchen zum Nachtisch. »Die Lebensmittel bekommen wir alle von Supermärkten oder Bäckereien gespendet. Da kommt so viel zusammen, dass wir den Bedürftigen auch noch etwas mitgeben können.«
Ganz umsonst gibt es die Beutel mit Obst, Molkereiprodukten und Brot aber nicht - etwa einen Euro müssen auch Obdachlose oder Sozialhilfeempfänger zahlen. »Wichtig ist, dass man diese Leute ernst nimmt. Ein Euro ist zwar nicht viel Geld, aber es signalisiert den Bedürftigen, dass sie nicht als Bettler kommen«, sagt Schuster.
Die größte Not sei ohnehin nicht die finanzieller Art, sondern die Einsamkeit. »Zu uns kommen viele, die nicht unbedingt arm sind, sondern einfach die Gemeinschaft suchen. Punker mit bunten Haaren und großen Hunden, die einem in der Stadt oft Angst machen, sind einige unsere liebsten Kinder. Sie brauchen oft nur jemanden, dem sie ihre Sorgen und Nöte erzählen können.« Der Gesellschaft mangele es an menschlicher Wärme, ein Defizit, das jeder Einzelne beheben könne: »Versuchen Sie einfach ein Mensch zu sein, dem man gern begegnet.«

Artikel vom 31.01.2007