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»Ewigkeitskosten der Allgemeinheit und die weiße Ruhrkohle-AG
den Zockern
an der Börse.«

Leitartikel
Kohleausstieg

Hängen
im
Schacht


Von Reinhard Brockmann
Zwei nächtliche Kohlerunden, die SPD vom Sockel geholt, der CDU den sozialverträglichen Jobabbau abgerungen - und bei den Kosten schon wieder Hängen im Schacht. So sieht es aus am Tag nach der für NRW vielleicht größten Befreiungstat seit langem.
Aber schon ist die Rede von einem neuen Kohlepfennig, um die »Ewigkeitskosten« der Allgemeinheit und die Ruhrkohle-AG den Zockern zuzuschanzen.
Der Reihe nach, die ganze Wahrheit wird gerade Lore um Lore zu Tage gefördert: Mitnichten ist klar, wie geschätzte 35 Milliarden Euro Kosten für Bergschäden, Deiche, Grundwasserpumpen, Beihilfen und üppige Bergmannspensionen bezahlt werden sollen. Die Koalitionsrunde hat lediglich notiert: »Die Beihilfen sollen mit einer Vereinbarung zwischen Bund, NRW und Saarland geregelt werden.« Soweit, so unverbindlich.
Richtig und im Grunde gar nicht der Rede wert ist, dass der Erlös aus dem geplanten Börsengang des Mischkonzerns RAG in Höhe von erhofften (!) 5,4 Milliarden Euro in eine Stiftung eingeht, die die Folgekosten zu tragen hat. Soweit, so unzureichend.
Kurzum: Die von den Kohlelasten befreite neue, »weiße« RAG putzt die Platte, kommt aber nur für einen Bruchteil ihrer Hinterlassenschaft auf.
Immerhin: Der Ausstieg aus der deutschen Steinkohle bis 2018 ist ein nicht zu unterschätzender Erfolg, der ohne das schwarz-gelbe Bremsmanöver aus NRW und eine große Koalition in Berlin kaum zustande gekommen wäre.
Die der SPD zugestandene energiepolitische Überprüfung in fünf Jahren ist weiße Salbe. Zur Gesichtswahrung reicht das der SPD-Vorsitzenden an Rhein und Ruhr, Hannelore Kraft. Sie hat sich damit den unter Pütt-Traditionalisten ehrenvollen Titel »letzte Lore« gesichert.
Bis zur Stunde ist unklar, wie viel Steuergeld NRW nach dem 31.12.2008 noch zu vergraben bereit ist. In 2007 und 2008 zahlt Düsseldorf für sieben Bergwerke je knapp 500 Millionen, das Saarland für eine Zeche bis auf eine Anstandsbetrag fast gar nichts.
Hiermit tut sich ein gähnend tiefer Schacht auf, der uns in den kommenden Monaten, womöglich bis in den Bundestags- und Landtagswahlkampf beschäftigen wird.
Der Bund wolle, hieß es gestern aus Berlin, nach 2008 die dann immer noch zehn Jahre zu zahlenden Subventionen nach dem folgenden Schlüssel verteilen: zwei Drittel der Bund, ein Drittel die (sprich: alle) Länder.
Zeter und Mordio an exakt diesem Punkt vorauszusagen, ist keine große Staatskunst. Angela Merkel und Franz Müntefering scheinen das absehbare Schaulaufen der Ministerpräsidenten von Brandenburg bis Bayern nicht bedacht zu haben - es sei denn, sie verfolgten ein weiteres Ziel.
Der Länderfinanzausgleich, die unterschiedlichen Gesundheitskosten und eine Reihe weiterer Kreuz-und-Quer-Ausgleiche wollen die Kanzlerin und ihre Vize als zweite Stufe der Föderalismusreform endlich geregelt wissen. Da ist Druck auf dem Kessel durchaus hilfreich.

Artikel vom 31.01.2007