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»Immer springt ein anderer ein«

Die Ausgeglichenheit macht die deutsche Auswahl unberechenbar

Von Arndt Wienböker
Köln (WB). »Einer für alle - alle für einen!« Ein viel zitierter Leitsatz, aber selten zuvor hat eine Mannschaft dieses Motto so gelebt wie die deutsche DHB-Auswahl bei dieser WM.

Mit unbändigem Siegeswillen auf dem Parkett, herrlich normal außerhalb des Spielfeldes: So haben die Nationalspieler eine Handball-Euphorie in Deutschland entfacht.
Sie singen die Hymne Arm in Arm, sie peitschen sich gegenseitig nach vorn, sie gehen Spiel für Spiel gemeinsam an die Schmerzgrenze, sie tragen sich auf den Schultern - in dem Wissen, dass jeder gebraucht wird, um den Traum vom WM-Titel wahr werden zu lassen.
»Einfach unbeschreiblich«, findet Abwehrchef Oliver Roggisch den Zusammenhalt in der Truppe: »Jeder erfüllt seinen Part, und in jedem Spiel sind es andere, die in die Bresche springen.«
Die Ausgeglichenheit macht das Team stark - und unberechenbar für jeden Gegner. Ohne Henning Fritz würde Deutschland mit Sicherheit nicht im Finale stehen, aber der Star ist die Mannschaft. Und der Trainer, der seinen Spielern den Glauben an die eigene Stärke einimpft. So wie im Halbfinale gegen Frankreich. Mittelmann »Mimi« Kraus: »Wir haben uns immer wieder gesagt, dass wir dieses Spiel mit den Zuschauern im Rücken gar nicht verlieren können. So kam es dann auch.«
Kraus ist einer der jungen Wilden im deutschen Team, der bei dieser WM den internationalen Durchbruch geschafft hat. Dominik Klein ist auf Linksaußen als Ersatz für »Toto« Jansen immer da, wenn er gebraucht wird. Im Kölner Halbfinale traf Klein dreimal bei drei Versuchen - besser geht's nicht.
Lars Kaufmann war mit einem Tor und einem herausgeholten Siebenmeter der »Joker« auf dem Weg ins Finale. Holger Glandorf glänzte, als Christian Zeitz patzte. »Alle spielen am Limit. Ich kann gar nicht glauben, was im letzten Monat passsiert ist«, sagt der »alte Fritz«, der in neun WM-Spielen 97 von 273 Würfen (36 Prozent) pariert hat. Dass auch auf Kollege Johannes Bitter absolut Verlass ist, belegen dessen 35 Prozent gehaltener Bälle (32 von 92).
Die effektivste Trefferquote (88 Prozent) weist Torsten Jansen auf - für seine 29 Tore benötigte »Toto« nur 33 Versuche. Markus Baur glänzt als Vorbereiter und nervenstarker Siebenmeterschütze. Am Kreis und im Abwehr-Innenblock ist auf »Blacky« Schwarzer, Sebastian Preiß und Andrej Klimovets Verlass. Pascal Hens (41), Florian Kehrmann (39) und Christian Zeitz (30) sind die deutschen Haupttorschützen. Oliver Roggisch ist die unverzichtbare Größe in der Abwehr.
So greift ein Rädchen in das andere, was selbst der Bundestrainer in dieser Form nicht für möglich gehalten hätte. Brand: »Was die Mannschaft nach der holprigen WM-Vorbereitung durch Kampfgeist und Zusammenhalt an Emotionen geweckt hat, ist einfach sensationell.«
Noch einmal muss das kämpfende Kollektiv nun über sich hinauswachsen, dann ist Deutschland Handball-Weltmeister.

Artikel vom 03.02.2007