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Vermieter müssen
Geldstrafe zahlen

Mit Faustrecht Schulden eingetrieben

Bielefeld (uko). Dieses Urteil wird unter Wohnungsmietern und -vermietern für Zündstoff sorgen: Das Amtsgericht hat am Montag zwei Bielefelder zu jeweils 3 600 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie rückständige Mietschulden per Faustrecht eintreiben wollten. Die Angeklagten sahen sich auch nach dem Urteilsspruch noch im Recht.

Bereits 2004 hatte der Tunesier Ajatollah A. (32, alle Namen der Beteiligten geändert) von Vermieter Heinrich H. (62) eine Wohnung an der Oelmühlenstraße angemietet: Der Mietzins inclusive der Nebenkosten betrug 265 Euro. Anfang 2005 schließlich mietete der Nordafrikaner zudem einen Laden im gleichen Haus an. Das brachte den Mann offensichtlich in die finanzielle Schieflage, denn die zusätzliche Miete von 950 Euro konnte Ajatollah A. nicht mehr aufbringen.
Die folgenden Mieten kamen nur sporadisch oder wurden überhaupt nicht bezahlt. Der Mieter war schließlich im Herbst 2005 mit einigen Tausenden Euro im Zahlungsverzug - über die exakte Höhe herrscht zwischen den Parteien Streit.
Nach diversen Ermahnungen von Heinrich H. eskalierte die Auseinandersetzung dann am 11. November 2005. Zunächst suchte der Senior den Tunesier allein in dessen Wohnung auf, forderte Mietrückstände in Höhe von 10 000 Euro (Ajatollah A.: 20 000 Euro). Es sei zu einem Gerangel gekommen, behauptete H. gestern vor dem Amtsgericht; A. will von dem Vermieter angegriffen worden sein. Unstreitig zwischen den Kampfhähnen ist indes, dass H. seinen Sohn Erwin H. (38) zu Hilfe rief. Auch der Junior betonte nun als Angeklagter, zwischen ihm und dem Tunesier habe es nur ein Gerangel gegeben. Der Mieter jedoch behauptete, er sei von H. junior rückwärts in die Glasfüllung der Wohnungstür gestoßen worden. Dabei habe er eine Schnittverletzung im Rücken erlitten.
Beobachtet worden war diese Szene ausgerechnet von einem anderen Mieter im Haus, an dessen Aussage sich Amtsrichter Wolfgang Heimann und Staatsanwalt Thorsten Polakowski orientierten. Polakowski sprach daher von »Selbsthilfe«, die Vater und Sohn angewendet hätten. »Wenn wir das in diesem Staat hinnehmen, dann ist der Staat am Ende. Das kann die Gesellschaft nicht tolerieren.« Selbstjustiz oder Faustrecht sei nicht hinzunehmen, auch wenn die Situation der beiden Männer »menschlich nachzuvollziehen sei«. Das Problem des Mietnomadentums sei bekannt, doch als Vermieter habe man »den Vorteil der Mieteinnahmen« und damit auch das »Risiko zu tragen«.
Wolfgang Heimann verurteilte beide Angeklagten jeweils zu 3 600 Euro (120 Tagessätze) wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung. H. und H. hatten nach dem Vorfall mehrfach auf den Tunesier eingewirkt, seine Strafanzeige zurückzuziehen.

Artikel vom 30.01.2007