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Theater gegen
Schlipszwang

Intendanten rügen Mailänder Scala

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). In Bielefeld, Detmold und Kassel können die Theaterfreunde weiterhin mit Pullover und Jeans in die Vorstellungen gehen. Die Intendanten lehnen die strenge Kleiderordnung der Mailänder Scala ab, die für Wirbel sorgt.

Mit eindeutigen Hinweisen auf der Eintrittskarte fordert Scala-Intendant Stephane Lissner die Besucher bei Premieren auf, Schlips und dunklen Anzug zu tragen, bei normalen Aufführungen zumindest Jacket und Krawatte. Die Kleidung müsse »mit dem guten Ton des Theaters in Einklang stehen«. Es werde Kontrollen geben, denn »es fehlt nicht viel und die Leute kommen in Unterhosen«, beklagt Dirigent Riccardo Chailly.
In Kassel wird am Freitag das umgebaute Staatstheater mit der Oper »Tristan und Isolde« eingeweiht. Bei der Premiere und auch später möchte Intendant Thomas Bockelmann nicht unbedingt Besucher im Jogginganzug sehen, aber Vorschriften lehnt er ab. »Zu Beginn des 21. Jahrhunderts halte ich eine solche Kleiderordnung an einer so weltbrühmten Oper wie der Mailänder Scala offen gestanden schlichtweg für provinziell«, sagte Bockelmann dieser Zeitung. Guter Geschmack bilde sich nicht durch Zwang, »eher schon durch die Erfahrung, bei einer bestimmten Veranstaltung zu spüren, dass man ÝunderdressedÜ ist«.
Wer ins Theater gehe, solle sich mit dem Stoff auf der Bühne und nicht mit dem Kleiderstoff auseinandersetzen, betonte der Intendant des Landestheaters Detmold, Kay Metzger. Theater müssten Schwellenängste abbauen, statt neue Hürden aufzustellen. Solch antiquierte Vorgaben habe er »eher der Wiener Staatsoper zugetraut«, sagte Metzger.
Kontrollen würden in Deutschland als diskriminierend empfunden, da ist sich der stellvertretende Intendant des Stadttheaters Bielefeld, Dieter Powitz, sicher. Weil man »von der viel zitierten Unterhose noch meilenweit entfernt ist«, spiele das Thema Kleiderordnung keine Rolle. Nicht mit feiner Garderobe, sondern mit der Eintrittskarte erwerbe man die Berechtigung, ins Theater zu gehen. Mit einer strengen Kleiderordnung dürften Besucher nicht belastet werden, sagte Powitz dieser Zeitung: »Manchmal gehen sie direkt aus dem Alltag ins Theater. Zwischen Feierarbend und Aufführung liegen dann nur 30 Minuten.«

Artikel vom 30.01.2007