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Kohle: Es bleiben viele Fragen

Rüttgers sieht den Ausstieg noch längst nicht unter Dach und Fach

Düsseldorf/Berlin(dpa).
Der erste Durchbruch bei den Berliner Gesprächen über ein Ende der Steinkohlebeihilfen hat in Nordrhein-Westfalen viele Fragen und Unsicherheiten hinterlassen.
Jürgen Rüttgers lehnt betriebsbedingte Kündigungen ab.
Zwar werteten Vertreter aller vier Landtagsfraktionen die Verhandlungen gestern als wichtigen Schritt. CDU, FDP und Grüne warnten allerdings vor noch unkalkulierbaren finanziellen Risiken für das Land.
»Der Ausstieg ist noch nicht unter Dach und Fach«, sagte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). »Es gibt sehr viele komplizierte Fragen, die noch gelöst werden müssen.« Weder sei ein fester Termin für den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle vereinbart, noch geklärt worden, wer die Haftungsrisiken für die Altlasten und Ewigkeitskosten übernimmt.
Bei einem Spitzengespräch in Berlin hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am Sonntag für die SPD angeboten, dass sich die Partei auf einen Auslaufbergbau im Jahr 2018 einlassen könnte, falls es eine Optionsklausel gebe. Demnach solle 2012 geprüft werden, ob der Ausstiegsbeschluss unter energiepolitischen Rahmenbedingungen doch zu revidieren sei.
Die Oppositionsführerin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, stellte gestern fest: »Wir sind noch ganz schön weit auseinander.« Ihr Stellvertreter an der Düsseldorfer Fraktionsspitze, Nobert Römer, wollte von einem Ende des Steinkohlesubventionen weiterhin gar nichts wissen. »Ich rede nicht vom Ausstieg«, sagte Römer. Der Steinkohlebergbau müsse mit weiter sinkenden Subventionen mindestens bis 2018 fortgeführt werden. In einem Steinkohlegesetz müsse zudem die Option verankert werden, erst 2012 zu entscheiden, ob ein Steinkohlesockel auch über 2018 hinaus finanziert werde.
Rüttgers bekräftigte, dass ein Steinkohlesockel mit dem EU-Recht nicht vereinbar wäre.
Die FDP dringt auf ein Ende der Kohlebeihilfen möglichst schon 2012, die Grünen halten einen sozialverträglichen Ausstieg 2015 für möglich. Auch CDU-Landtagsfraktionschef Helmut Stahl hält ein sozialverträgliches Ende vor 2018 für machbar.
Die Kohle-Experten von CDU und Grünen, Christian Weisbrich und Reiner Priggen, warnten vor hohen finanziellen Folgekosten für NRW. Während die FDP davon ausgeht, dass die Ewigkeitskosten und Altlasten aus den Erlösen des angestrebten RAG-Börsengangs gedeckt werden können, verneinen die Grünen dies. In einem Gutachten zu den Ewigkeitskosten seien etwa die Deichunterhaltungsmaßnahmen völlig vergessen worden, sagte Priggen. »Es wird noch um zig Milliarden gehen, die verteilt werden müssen.«
Nach dem Kohlekompromiss von 1997 war der NRW-Anteil an den Kohlebeihilfen von 9,6 schrittweise auf 21,7 Prozent gestiegen. Seit Beginn der Subventionen im Jahr 1961 haben Steuerzahler und Stromkunden die Kohleförderung in Deutschland mit 130 Milliarden Euro unterstützt.
Der Ausstieg aus dem Steinkohle-Bergbau soll für die 33 000 Bergarbeiter ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne gehen. »Wir wollen den Arbeitsplatzabbau, der damit verbunden ist, sozialverträglich machen. Niemand muss Angst haben, auf der Straße zu stehen«, sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gestern.
Auch Rüttgers betonte gestern ausdrücklich, er werde keine Vereinbarung unterschreiben, die betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließe.

Artikel vom 30.01.2007