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Adolf Kolping

»Das Kostbarste, das der
Mensch im
Leben besitzt,
ist die Familie.«

Leitartikel
Generationen-Barometer

Innenansicht anders als Außenansicht


Von Jürgen Liminski
Die Lobeshymnen über die Familie sind Legion. Die Verrisse auch.
Dennoch hält sich im Bewusstsein der Menschen, mindestens hierzulande, was Gelehrte und Reformer seit Jahrhunderten schon sagen. Man nehme zum Beispiel den Gesellenvater Adolph Kolping. Der sagte: »Das Erste, das der Mensch im Leben vorfindet, das Letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das Kostbarste, das er im Leben besitzt, ist die Familie«.
Das gilt offensichtlich auch heute und ist nun wissenschaftlich belegt. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat im Auftrag des »Forum Familie stark machen«, in dessen Kuratorium immerhin so führende Persönlichkeiten wie Kardinal Karl Lehmann und Familienministerin Ursula von der Leyen sitzen, diese empirische Arbeit geleistet und im Generationenbarometer 2006 auf 320 Seiten mit endlos vielen Tabellen und Grafiken anschaulich gemacht.
Also: Familie ist in und bleibt in.
Jedenfalls in den Herzen der Menschen. So weit, so gut. Ob das beim politisch-medialen Establishment aber auch so ist, darf man bezweifeln.
Einen Beleg dafür liefern die Daten über das verzerrte Bild der Familie. Die Einschätzung über den Zusammenhalt in den meisten Familien in Deutschland weicht erheblich ab von der Einschätzung über den Zusammenhalt in der eigenen Familie. Und das bei den meisten Befragten.
Nur 32 Prozent der Bevölkerung halten diesen Zusammenhalt bei den anderen für stark, und mehr als die Hälfte hält ihn sogar für gering. Bei sich selbst aber halten 84 Prozent der Bevölkerung den Zusammenhalt für sehr stark bis stark und nur zehn Prozent für gering.
Da muss man sich doch fragen, woher diese Verzerrung kommt, konkret: ob die Medien nicht eine andere, ja nur die zehnprozentige Familienwelt abbilden, was dann zu diesem Eindruck führt, Im Klartext: Die wirkliche öffentliche Meinung deckt sich nicht mit der veröffentlichten. Sie aber ist für die meisten Politiker maßgebend, weil sie vermutlich wie die meisten Medienleute eher zu den zehn Prozent mit dem geringen familiären Zusammenhalt gehören.
Gerade für sie jedoch wäre dieses Generationenbarometer eine Fundgrube. Die familienpolitisch relevanten Gesetze sähen anders aus, wenn man sie für die Mehrheit gestaltete.
Man hätte etwa die Eigenheimzulage nicht abgeschafft, bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer die Familienkomponente verstärkt, das Kindergeld nicht um zwei Jahre gekürzt und das Elterngeld nicht am Erwerbseinkommen orientiert.
So aber darf man wieder ein Paradoxon beobachten, an das man sich fast schon gewöhnen kann: Die Familienministerin preist eine wissenschaftliche Grundlage an, von der sie keinen Gebrauch machen will. Schade, aber die Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe in einer krisengeschüttelten Welt, mithin nach dem Ersten, Letzten und Kostbarsten in dieser Welt, wird auch diese Ministerin überdauern.

Artikel vom 30.01.2007