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Lebender Atem,
beseeltes Spiel

Ensemble Berlin-Shanghai begeisterte

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der Name Berliner Philharmoniker steht für Spitzenqualität und eine Reihe von Kammerkonzerten, die von Mitgliedern des deutschen Eliteorchesters in unterschiedlichen Besetzungen bestritten werden. Diesmal war es das Ensemble »Berlin-Shanghai«, das auf Einladung der Konzertdirektion Müller seine Visitenkarten in der Oetkerhalle abgab.

Genaugenommen ist lediglich der Bratschist Ulrich Knörzer ein echter Berliner Philharmoniker. Ying Zhang (Violine) ist Konzertmeisterin im Philharmonischen Staatsorchester Halle, Francesco Piemontesi (Klavier) auf dem Weg zu einer internationalen Karriere ebenso wie der in Gütersloh aufgewachsene Nicolas Altstaedt (Cello), der als Solist und Kammermusiker die Aufmerksamkeit der großen Meister und Festivals auf sich zieht. In unterschiedlichen Kulturkreisen beheimatet, finden die vier Musiker im gemeinsamen Spiel zu einem einheitlichen kammermusikalischen Atem. Er ist geprägt von einer ingeniösen und detailreichen Ausdeutung im Einzelnen, ohne die große formale Anlage dabei aus den Augen zu verlieren.
Bei Mozarts Klavierquartett in g-Moll fällt sogleich ein ungeheuer intensives Streicheranimato auf, das sich von den federnd-perlenden Klavierläufen (brillante Trennschärfe) klar absetzt und doch in der perfekten Verflechtung aller Stimmen aufgeht. Das Allegro servierte man mit delikater Verve und Impulskraft, ohne die Skalen von Tempo, Dynamik und Akzentuierung extrem auszuschöpfen. Man könnte von einem musikalischen Unterstatement sprechen, würden die vier innerhalb der selbst gewählten Grenzen nicht schier verschwenderisch klangfarbliche Nuancen und ausdrucksfördernde Finessen ausspielen. Im Andante betört zunächst das warme Vibrato, dann sorgen die luftig leicht servierten Zweiunddreißigstel für einen bislang ungekannten Drive, ehe man im Rondo zu nicht nachlassender verschachtelter Unruhe fand. Betörend, in welch lebendiger Klangrede und Transparenz hier musiziert wurde.
»Webern kann in zwei Minuten mehr sagen als die meisten anderen Komponisten in zehn«, schrieb der amerikanische Komponist Humphrey Searle. Nicht nur Webens »Zwei Stücke« für Cello und Klavier legen beredtes Zeugnis von dessen Verdichtungskunst ab, auch eine Sonate, die im expressiven Gestus zugleich Kondensat und Gegenpol der klassischen Sonatenform darstellt. Altstaedt und Piemontesi brachten die Werke als bestens eingespielte Duopartner zu Gehör, mit Sinn für Kantabiliät und Intimität in den zwei Stücken sowie der nötigen Impulsivität in der Sonate.
Alle Register vom liedhaften Legatho bis zum hochvirtuosen Hexenritt auf den Saiten ließ Ying Zhang bei ihrer Wiedergabe von Olivier Messiaens »Thème et Variations« vernehmen, kongenial begleitet am Klavier.
Unter dem Eindruck des Schmerzes um die unerwiderte Liebe zu Clara Schumann komponierte Johannes Brahms 1875 sein Klavierquartett in c-Moll. Seufzermotive und bedrohliche Akkordschläge künden vom Leid, gleichwohl hat Brahms in den fünf Sätzen neben düsterer Schwermut auch zärtliche und tröstliche Themen verarbeitet. So an- und abschwellend organisch musiziert, beschwörend intensiv auf der einen und traumschön schwebend auf der anderen Seite geriet das Werk zu einem bewegenden Zeugnis von Leidenschaft.

Artikel vom 29.01.2007