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Ein Thriller im Kölner Ballhaus

WM-Viertelfinale: Deutschland schlägt Weltmeister Spanien 27:25

Von Oliver Kreth
Köln (WB). Man muss auch gönne könne, sagt der Kölner. Doch damit taten sich gestern die wenigen Spanier unter den 19 000 Fans in der ausverkauften Kölnarena schwer. Denn im Viertelfinale der Handball-WM besiegte die deutsche Nationalmannschaft den Erzrivalen 27:25 (15:12).

Auch der spanische Trainer kam mit der Niederlage nicht so recht klar. Juan Carlos Pastor: »Ab der 51. Minute gab es einige seltsame Entscheidungen. Dadurch hatten wir keine Chance zu gewinnen. Die Schiedsrichter haben das Spiel entschieden.« Sein deutscher Kollege reagierte gelassen. »Das trübt meine Freude in keiner Weise. Ich bin gerne bereit gemeinsam mit ihm die Videos zu studieren«, sagte Heiner Brand. Er sah bei seinem Team allein Probleme, Kreisläufer Rolando Urios in den Griff zu bekommen. Sonst war er »nur glücklich. Und ich muss zugeben, vor einiger Zeit hätte ich nicht damit gerechnet, dass wir so weit kommen würden.«
Sein Team musste im Viertelfinale auf Markus Baur verzichten, die Wadenzerrung beim 36-Jährigen war noch zu schmerzhaft. Also lastete die Verantwortung erneut auf Nachwuchsregisseur Michael Kraus. Dagegen gingen die Spanier ausgeruht in das Viertelfinale. Pastor hatte seinen 100-Kilo-Kolossen ausreichend Pausen in den bisherigen Partien gegönnt.
Doch davon war schon in der Anfangsphase des 50. Aufeinandertreffens wenig zu merken. Die zwei stärksten Ligen der Welt tasteten sich nicht lange ab, und die Brand-Buben beherzigten sofort die Marschroute ihres Trainers: mit starker Abwehr und gutem Torwart die individuellen Stärken der Iberer auszugleichen. Sebastian Preiß und Oliver Roggisch blockten spanische Angriffsversuche, der Gastgeber ging mit 2:0 in Führung. Und während Torsten Jansen den ersten Siebenmeter versenkte, machte der strenge Blick von Torwart Henning Fritz Iker Romeros Arm an der Marke lahm. Der kassierte nach einem Verbalduell mit den norwegischen Unparteiischen auch die erste Zwei-Minuten-Strafe. Das änderte nichts daran, dass der amtierende Weltmeister in der neunten Minute zum 3:3 ausglich.
Doch das Selbstvertrauen der Männer um Kapitän Florian Kehrmann war intakt. Aufmerksam in der Abwehr und schnell beim Tempogegenstoß (Brand: »Wir brauchen einfache Tore«) - und nur drei Minuten später lag der Gastgeber drei Treffer vorne. Pastor bat früh zum Kurz-Gebet. Aber wie den »alten« Fritz und den Spielwitz von »Mimi« ausschalten? Da fand er bis zum Ende der ersten Halbzeit kein schlüssiges Konzept.
Den ersten Treffer der zweiten Halbzeit erzielte »Toto« Jansen, und Fritz hielt weiter Weltklasse. Also alles wie in der ersten Halbzeit? Im Prinzip schon, nur dass die Spanier wie ein Stier durch die deutsche Abwehr wollten. Dem setzte Kraus Finesse entgegen. Mit Erfolg. Kreisläufer Christian Schwarzer, wieder als Chefmotivator an der Linie unterwegs: »Mach' weiter so.«
Während einer Zeitstrafe gegen Preiß drohte es noch einmal eng zu werden. Die Abschlussversuche wurden unnötig hektisch, und Jose Hombrados und David Baruffet stellten sich besser auf die Würfe der Deutschen ein. In der 56. Minute glich Spanien zum 23:23 aus. Jetzt wurde es ein Thriller.
Sofort war das Publikum wieder da. Die Begeisterungswelle schwemmte zwei Tore ins spanische Netz, die Kölnarena ein tolles Ballhaus. Und Nationalspieler Stefan Schröder schrie von der Tribüne: »Gut gemacht, Olli« und meinte Abwehrchef Oliver Roggisch. Markus Baur animierte das Publikum von den Kommentatoren-Plätzen zum Anfeuern.
30 Sekunden vor Abpfiff: 26:25. Deutschland in Ballbesitz. 15 Sekunden vor Abpfiff: Auszeit Deutschland. Sieben Sekunden vor Schluss traf Jansen zum 27:25 - das Halbfinale perfekt. Jansen happy: »Beim letzten Wurf habe ich einfach draufgehalten, weil sonst Zeitspiel gepfiffen worden wäre. Jetzt müssen wir uns schon wieder darauf konzentrieren, für dass nächste Spiel fit zu werden.«
Die Partie in Köln beginnt morgen erneut um 17.30 Uhr und wird live vom ZDF übertragen.

Artikel vom 31.01.2007