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In Köln soll die Post abgehen

Deutsches Team ist heiß auf das Viertelfinale gegen den Titelverteidiger

Von Oliver Kreth
Kaiserau/Wiehl (WB). Heiner Brand saß allein auf dem Podium. Vor ihm zahlreiche Mikrofone. Er war soweit. Nur der Pressesprecher fehlte. Der Bundestrainer mit einem breiten Grinsen: »Herr Hühnergarth, bitte in den Saal.« Der eilte herbei und rief: »Heiner, fang doch einfach schon mal an.«

Die Stimmung im deutschen Team ist ausgelassen. Trotz oder gerade wegen des schweren Gegners heute (17.30 Uhr/ARD) im Viertelfinale. Denn in der mit 19 000 Zuschauern ausverkauften Kölnarena kommt es zum »ewigen« Duell gegen Spanien, dem amtierenden Weltmeister. »Wir sind gut drauf, das ganze Volk steht hinter uns, die Halle in Köln wird brennen. Also brauchen wir uns vor niemandem zu fürchten«, sagte Kapitän und Regisseur Markus Baur (TBV Lemgo) vor dem ersten K.o.-Spiel der WM.
Zwei Mal schon lieferten sich beide Teams spektakuläre Viertelfinals. Bei Olympia 2000 in Sydney behielten die Iberer mit 27:26 die Oberhand, vier Jahre später in Athen avancierte Torhüter Henning Fritz (THW Kiel) beim 32:30 nach Siebenmeter-Werfen zum umjubelten Matchwinner.
Schon um 6.45 Uhr hatte für den Bundestrainer gestern der Tag begonnen - mit der Sichtung von DVD-Material, mit dessen Hilfe er sein Team am Nachmittag auf den Kampf einstimmte. »Es wäre doch seltsam, wenn ich in diesen Tagen gut schlafen könnte, dann wäre etwas falsch«, sagte der sichtlich übermüdete Brand. Aber Sorgen um seine Gesundheit müsse man sich nicht machen, »die zwei Wochen werde ich schon überstehen.«
Das 50. Aufeinandertreffen, auch ein Duell der stärksten Ligen der Welt, bereitet dem 54-Jährigen Vorfreude: »Wir schwimmen derzeit auf einer Welle der Euphorie. Außerdem weiß die Mannschaft, dass sie gegen vermeintlich bessere Teams bestehen kann.«
Die Stärken seiner Auswahl kennt der Gummersbacher ganz genau: »Über die Begeisterung und eine gute Abwehr, hinter der ein starker Torwart steht, müssen wir die Spanier knacken. Im Positionsspiel wird es schwerer für uns.«
Wichtig für den Weltmeister von 1978: »Wir müssen ihr Spiel unterbinden, ihre individuellen Stärken kompensieren. Und versuchen, viele Bälle zu stehlen, damit wir zu leichten Toren kommen.«
Es spricht für die Moral, dass Kreisläufer Christian Schwarzer (Lemgo) diese Konstellation sogar positiv sieht: »Solche Spiele sind doch besser als gegen vermeintlich leichte Gegner. Da hätten alle gesagt, okay, damit sind sie schon durch.«
Während bei Baur und auch bei Florian Kehrmann (Lemgo) medizinisch Entwarnung gegeben wurde, testete der Bundestrainer gestern in der Sporthalle des Wiehler Gymnasiums noch mal Sorgenkind Oleg Velyky (SG Kronau/Östringen). Allerdings ohne Erfolg.
Denn abends, kurz vor Ablauf der Meldefrist, entschied sich der Bundestrainer, auch weiterhin auf den Rückraumspieler zu verzichten. Eine Veränderung nahm Brand dennoch vor. Er sortierte seinen dritten Torwart, Carsten Lichtlein vom TBV Lemgo, aus und berief statt dessen einen weiteren Feldspieler in den Viertelfinalkader. Michael Haaß (SG Kronau/Östringen), der in der Vorrunde bereits zum Team gehört hatte, kehrt als weitere Alternative auf der Spielmacher-Position wieder zurück.
Haas' Einsatz könnte auch dem deutschen Shootingstar dieses Championats, Nachwuchs-Regisseur Michael Kraus, helfen. Der Göppinger vertrat gegen Frankreich und Island den Lemgoer Baur sensationell, aber ob er dieses Niveau bis zum möglichen Finale halten kann, ist fraglich.
Gestern bezog der Tross 14 Einzel- und zehn Doppelzimmer im Wiehler Hotel zur Post. Als Stärkung wurden vor der Übungseinheit Kalb, Pute mit Nudeln und Kartoffeln serviert. Und damit auch in Köln die Post abgeht, hat Christian Schwarzer ein klares Konzept: »Wir müssen gegen Spanien den Spaß mitnehmen.« Gerade in einer Karnevalshochburg sollte das nicht schwer fallen...

Artikel vom 30.01.2007