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Der mit dem Ball und
den Gegnern tanzt

Kroatiens Ivano Balic zeigt, dass Kraft nicht alles ist

Von Volker Krusche
Köln (WB). Er ist der beste Mittelmann, den der Handball derzeit zu bieten hat. Und doch kein klassischer Spielmacher. Ivano Balic spielt nur deshalb im Zentrum, weil es dort den meisten Platz gibt, und er sowohl nach links, als auch nach rechts ausweichen kann.

Denn Balic, der Instinkt-Handballer, liebt es wie kein Zweiter, mit dem Ball auf den Deckungsspieler loszugehen und ihn dann zu narren. Hält er das Leder in Händen, steigt bei seinen Gegenübern der Puls. Und der 27-Jährige scheint das Zucken in ihren Augenlidern zu sehen, ahnt, was sie gegen ihn unternehmen wollen und lässt sie gleich darauf mit einer Körpertäuschung ins Leere laufen oder schmuggelt den Ball an ihnen vorbei ins Tor.
Vor Balic haben sie alle Angst, auch wenn sie es nicht zugeben. Der Mann, der bei den letzten fünf internationalen Großturnieren fünf Mal zum wertvollsten Spieler gekürt wurde, ist der Kopf der kroatischen Nationalmannschaft. Rechtsaußen Mirza Dzomba, selbst ein Superstar, behauptet gar: »Ohne ihn läuft bei uns nichts.« Und selbst Claude Onesta, der heute in Köln (20 Uhr/DSF live als Konferenz) mit seinen Franzosen die Erfolgsserie des Olympiasiegers beenden will, erklärt voller Hochachtung: »Wenn es ein Rezept gäbe, wie man ihn ausschalten kann, würde ich es für viel Geld verkaufen.«
Perfekte Technik, Spielübersicht, Torgefährlichkeit, List und Kreativität - Ivano Balic ist das beste Beispiel dafür, »dass Handball nicht nur aus Kraft besteht« (Trainer Lino Cervar). Wilde Mähne, Drei-Tage-Bart und zahlreiche Tattoos - der 1,89 Meter-Mann wirkt eher wie ein Frauenschwarm als ein begnadeter Handballer.
Zlatko Feric, als Spieler und Trainer in Nettelstedt aktiv und seit kurzem dort als rechte Hand von Jens Pfänder in der sportlichen Leitung tätig, hat einen sehr guten Draht zum Welthandballer von 2003. Es war im Urlaub in Kroatien, als Feric einen Anruf erhielt, er solle sich doch mal einen Jungen anschauen, wie er ihn als Handballer noch nie gesehen hätte. Widerwillig sagte Feric zu und sah dann einen damals 16-Jährigen, der bereits über ein riesiges Repertoire an Wurfvarianten verfügte, ein unheimliches Gefühl für die Situation besaß und sensationelle Pässe spielte.
»Am liebsten hätte ich ihn damals nach zehn Minuten rausgeworfen«, erinnert sich Feric, »ich fand, dass dieser Bursche alle anderen provozierte, mit Lässigkeit und Überheblichkeit.« Tat Ivano Balic aber nicht, so dass Zlatko Feric im Nachhinein für sich selbst registrierte: »Es war ein bisschen so, als wenn man Gott bei der Arbeit zusehen würde - es aber nicht nach Arbeit aussah.«
Trotz der sieben Siege in bislang sieben Spielen und eines Stars wie Ivano Balic hat Kroatiens Trainer Cervar gehörigen Respekt vor dem heutigen Viertelfinal-Gegner: »Frankreich ist eine sehr große Mannschaft.« Wahrscheinlich hat er die letzten Spiele im Hinterkopf, das 23:29 bei der EM und das 26:33 beim Supercup.
In Frankreich selbst ist das Vertrauen ins eigene Team derweil gesunken. »Ein Viertelfinale der Unsicherheiten«, schrieb »Le Figaro«. Und in der »Liberation« hieß es angesichts eines durchaus drohenden, frühen Ausscheidens: »Man muss siegen oder auf Zehenspitzen nach Hause kommen.«

Artikel vom 30.01.2007