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Wie glaubwürdig ist der Bremer Türke Murat Kurnaz?

Im Gespräch: Jürgen Herrmann, Mitglied im Berliner Geheimausschuss

Berlin (WB). Wie glaubwürdig ist Murat Kurnaz? Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Herrmann hat den unschuldig in Guantánomo festgehaltenen Mann aus Bremen im Berliner Geheimausschuss persönlich erlebt und selbst befragt. Reinhard Brockmann fragt nun nach den Eindrücken des in Vernehmungen geschulten Ex-Polizeibeamten Herrmann. Murat Kurnaz (24), in Bremen geborener türkischer Staatsbürger, hat mit Aussagen vor zwei Untersuchungsauschüssen viele Politiker beeindruckt. Die Glaubwürdigkeit des unschuldig Inhaftierten spielt eine zentrale Rolle.

Ist Murat Kurnaz tatsächlich glaubwürdig?Herrmann: Diese Frage wird in den beiden Untersuchungsausschüssen beantwortet werden müssen. Ich habe nach seiner ersten Anhörung im Ausschuss das Gefühl, dass er offen und glaubwürdig antwortet, auch wenn es bei der ein oder anderen Frage sicherlich unteschiedliche Sichtweisen gibt. Festzustellen bleibt aber, dass viele seiner Aussagen nicht überprüfbar sein werden, so zum Beispiel die Frage, warum er nach Pakistan gereist ist. Hier habe ich erhebliche Zweifel.

Ist er oder ist er nicht der »Bremer Taliban«?Herrmann: Hier gibt es nur zwei mögliche Antworten. Entweder hat er Kontakt zu radikalen Gruppen im In- und Ausland gehabt, oder er ist wirklich so naiv gewesen, als Religionsschüler eine Koranschule in Pakistan besuchen zu wollen. Da sein religiöses Bremer Umfeld nicht gerade auf sehr demokratischen Füßen stand, liegt eher die Vermutung nahe, dass andere Beweggründe vorlagen nach Pakistan zu gehen.

Auf uns macht der 24-Jährige den Eindruck eines gebrochenen alten Mannes?Herrmann: Mit seiner Bart- und Haarpracht sieht er wirklich »verwegen« aus. Bei meinem ersten Kontakt habe ich gleich nochmal nachgeschaut wie alt er ist, denn der Eindruck den Sie in Ihrer Frage geschildert haben, hat sich auch mir gestellt. Wenn man ihn reden hört, seine Gestik und Mimik sieht und seine psychische Verfassung bewertet, sofern ich dass überhaupt kann, komme ich zu dem Schluss, dass vor mir ein Mensch gesessen hat, der im Leben schon viel mitgemacht hat.

Muss der BND-Ausschuss überhaupt noch tagen, wenn der CIA-Sonderausschuss beim Europäischen Parlament bestätigt, es habe ein US-Angebot zur Freilassung Kurnaz' gegeben?Herrmann: Zur Aufklärung des Falls sind wir gut beraten, wenn wir unsere eigene Aufklärung betreiben. Im Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments spielen natürlich ganz andere Interessen eine wichtige Rolle. Wir sollten aber unbedingt die Erkenntnisse nutzen, um sie in unsere Ermittlungen einfließen zu lassen. Möglicherweise gibt es ja Unterlagen, die uns in Deutschland bisher nicht zugänglich waren.

Der zweite Berliner Ausschuss, dem Sie angehören, tagt im Geheimen. Was und wann erfährt die Öffentlichkeit mehr über die Handlungen deutscher Elitesoldaten 2002 in Kandahar?Herrmann: Es ist vernünftig, dass wir in Teilbereichen geheim tagen. Dies dient dem Schutz der eingesetzten Soldaten und deren Arbeitsweise sowie Aufträgen. Einige Parteien hätten gern alles öffentlich gemacht, um sich noch weiter gegen die Bundeswehr positionieren zu können. Dies hätte jedoch nicht zur Sachverhaltsklärung beigetragen, sondern nur um populistische Aussagen zu publizieren. Am Ende der Untersuchung, aber auch natürlich nach jeder Sitzung wird es Presseveröffentlichungen und Statements geben - allerdings nur aus dem nicht geheimen und klassifizierten Bereich. Am Ende wird der Öffentlichkeit ein Abschlussbericht vorgelegt.

Wenn Kurnaz womöglich einem gigantischen Täuschungsmannöver der US-Vernehmer aufgesessen sein sollte, müssen dann auch US-Agenten befragt werden?Herrmann: Es wäre sicher wünschenswert und möglicherweise stellen wir auch in diese Richtung Beweisanträge. Ich gehe jedoch davon aus, dass es Seitens der Amerikaner hierzu keine Aussagegenehmigung geben wird.

Als CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Verteidigungsausschusses unterliegen Sie strengen Geheimhaltungspflichten und politischen Rücksichten auf den Partner in der großen Koalition. Wie frei sind Sie noch?Herrmann: Es ist für mich eine Selbstverpflichtung nicht aus geheimen Sitzungen zu berichten. Zum einen da ich ansonsten mit einer strafrechtlichen Beurteilung meiner Aussagen rechnen müsste. Andererseits aber auch da die demokratischen Spielregeln eingehalten werden müssen. Ansonsten gilt für mich, dass ich umfassend zur Aufklärung der Vorwürfe beitragen möchte und daher keine Rücksicht auf den politischen Koalitionspartner nehme. Sollte sich herausstellen, dass die frühere Bundesregierung oder andere beteiligte Personen Fehler gemacht haben, bzw. Straftaten begangen wurden, werde ich entsprechende Konsequenzen einfordern. Also es gilt: Der Abgordnete Jürgen Herrmann unterliegt nach wie vor nur seinem Gewissen!

Artikel vom 27.01.2007