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Ein Comeback ohne jede Seele

Das Michelle-Konzert enttäuschte

Von Thomas Albertsen (Text) und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Als Schlagersängerin Michelle vor einigen Jahren eine schwere Krise durchlebte, besann sie sich auf einen alternativen Beruf. »Michelle eröffnet Hundesalon«, lauteten seinerzeit die Schlagzeilen. Ach, wäre sie doch bei dieser Arbeit geblieben und hätte der Menschheit ihr Comeback erspart.

Zwar war die Oetkerhalle bei ihrem mit dem Beatles-Cover »Michelle, ma belle« und »Ich bin wieder da« eingeleiteten Gastspiel gut zur Hälfte mit ihren Fans gefüllt, die auch freundlich applaudierten und phasenweise sogar Begeisterung zeigten. Das konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies ein schlechtes Konzert war.
Die Blondine würde bei »Deutschland sucht den Superstar« wohl nicht mal die Vorauswahl überstehen, denn ihr flaches Stimmchen ist nicht der Rede wert. Zwar trifft sie perfekt den Ton, intoniert auch mit ausreichenden Variationen -Êdas kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Ganzen das Volumen fehlt - von Seele ganz zu schweigen. Auch die Gesangstechnik lässt zu wünschen übrig: Um das Piepsen zu kompensieren, presst sie die Töne schrill heraus. Wären da nicht einige zündende Schlagermelodien wie »Kopfüber in die Nacht« und »Wer Liebe lebt«, die für sie komponiert worden sind -ÊMichelles Karriere wäre wohl niemals in Gang gekommen. Zuletzt machte sie ohnehin nur noch durch Aktfotos in einem Hochglanzmagazin von sich reden. Konto blank = Busen blank, diese Gleichung wird Michelle unterstellt, da sie sich lange Zeit standhaft geweigert hatte, sich hüllenlos ablichten zu lassen. Immerhin kokettierte sie zur Freude lüstern pfeifender Männer im Auditorium mit ihrem neuen Nackedei-Image, indem sie den Garderobe-Wechsel auf der Bühne zelebrierte - effektvoll von hinten beleuchtet, zeichnete sich der Schattenriss ihrer sexy Silhouette auf einer dünnen Leinwand ab.
Die mehrstöckige Bühnengestaltung mit guter Beleuchtung lenkte auch davon ab, dass Michelle rhetorisch nicht allzuviel zu bieten hat. Ihre Plaudereien mit dem Publikum wirken gekünstelt und wenig authentisch. Sie kommt damit eher den Wünschen der Fans nach, als dass es ihr ein echtes Anliegen wäre. Immerhin bekennt sie sichin einem Lied zu ihren Unsicherheiten: »Ich hatte nie den Mut« charakterisiert sie ziemlich gut, und zum Auftakt der zweiten Konzerthälfte bot sie mit »Hallo Tanja« (so heißt Michelle mit bürgerlichem Namen) Einblick in ihre Zerrissenheit.

Artikel vom 29.01.2007