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Geburt auf dem Ostwestfalendamm

Werdende Mutter schafft es nicht mehr ins Krankenhaus - Baby Sissi ist gesund und munter

Von Stefanie Westing
Bielefeld (WB). Ein wenig müde, aber glücklich, hat sich gestern Nachmittag Anja Flören-Kerkhoff (33) mit Tochter Sissi gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt lag ein spannender Tag hinter den beiden. Das kleine Mädchen hatte nämlich gestern Vormittag um 11.31 Uhr an einem ganz besonderen Ort das Licht der Welt erblickt: auf der Graphia-Brücke auf dem Ostwestfalendamm.

Im Auto der Großmutter hatte die 2840 Gramm schwere und 49 Zentimeter lange Sissi ihren ersten Schrei getan. Zur Geburt kam Vater Stefan Flören (36) zu spät - seine Tochter hatte es zu eilig.
»Meine Frau hat mich heute Morgen bei der Arbeit angerufen und mir gesagt, dass sie nachts schon Schmerzen hatte«, berichtete der frisch gebackene Vater, der als Bäcker bei der Firma Bürenkemper in Bielefeld-Ummeln arbeitet. »Sie hatte am Nachmittag sowieso einen Termin zum Ultraschall. Eigentlich war errechnet worden, dass die Kleine am 5. Februar zur Welt kommen würde«, erzählte der freudestrahlende 36-Jährige aus Schloß Holte-Stukenbrock. »Irgendwann rief meine Schwiegermutter dann an und sagte, Anja und ihr Bruder seien unterwegs ins Krankenhaus.« Die Privatklinik Dr. Hartog war das Ziel der werdenden Mutter, und auch Vater Stefan Flören machte sich sofort auf den Weg dorthin.
Er fuhr auf den Ostwestfalendamm - und sah am Straßenrand auf der Graphia-Brücke den grünen VW Lupo seiner Schwiegermutter stehen, mit dem Frau und Schwager unterwegs waren. »Da war alles schon vorbei«, sagte der stolze Papa. »Meine Frau hatte schon während der Fahrt zu ihrem Bruder gesagt, die Zeit reiche nicht, aber der wollte unbedingt noch weiterfahren. Irgendwann meinte sie dann: ÝHalt an, es geht nicht mehrÜ. Und schon war das Baby da.« Der Bruder der jungen Mutter brauchte nicht helfend einzugreifen. Erfahrung hat Anja Flören mit Geburten nämlich schon selbst: Sissi hat bereits vier große Brüder - Johnas (8), Jannik (6), Julien (4) und Joel (2). »Von denen wurde aber keiner auf dem Ostwestfalendamm geboren«, beteuerte Vater Stefan Flören. Trotz der ungewöhnlichen Situation kam bei der werdenden Mama keine Panik auf: »Dazu ging alles zu schnell. Und genutzt hätte es auch nichts.«
Für die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, die den Verkehr einspurig über die Brücke leiteten, war die Situation alles andere als alltäglich. »Ich habe selbst vier Kinder, aber so etwas habe ich noch nie erlebt«, erklärte Dr. Rainer Borgstedt, der sich als Notarzt um Mutter und Kind kümmerte. Einige Minuten nach der Geburt traf das Kinder-Intensiv-Mobil aus der Kinderklinik Bethel ein, das normalerweise Frühchen oder kranke Neugeborene aus den Geburtskliniken zur Intensivstation der Kinderklinik Bethel bringt. »Bei diesen Außentemperaturen sind wir davon ausgegangen, dass das Kind relevant unterkühlt ist«, erklärte Dr. Stefan Heinzel aus der Kinderklinik später. Glücklicherweise war diese Sorge unbegründet. »Alles bestens«, verkündete Neugeborenen-Notärztin Sylvia Tyman, nachdem sie die kleine Sissi noch vor Ort untersucht hatte. Mutter und Kind wurden anschließend in die Privatklinik Dr. Hartog gebracht - dorthin, wo eigentlich auch die Geburt stattfinden sollte.
Vater Stefan Flören machte sich ebenfalls auf den Weg in die Kiskerstraße. »Ich bin nur froh, dass es heute nicht geregnet oder geschneit hat«, sagte er. Er kann sich nun erstmal ausgiebig um seine Frau und das Baby kümmern - heute hat er nämlich seinen freien Tag.

Artikel vom 26.01.2007