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Im Frühjahr droht die Käfer-Katastrophe

Bis zu 30 000 Bäume umgeweht - Explosion der Borkenkäfer-Vorkommen eine große Gefahr

Von Stefan Küppers
Altkreis Halle (WB). Eine Woche nach dem verheerenden Orkan »Kyrill« offenbart sich das wahre Ausmaß der Zerstörung in den Wäldern. Allein im Bereich Halle, Steinhagen und Werther sind bis zu 30 000 Bäume umgeweht worden.

Aloys Tenkhoff hat in knapp 30 Jahren als Förster in Halle einiges erlebt, auch schwere Unwetter mit Stürmen, Schneebruch und Eisregen. Doch was die Böen von »Kyrill« beispielsweise im Wald von Tatenhausen angerichtet haben, ist ein Naturereignis besonderen Ausmaßes. Den Verlust durch Windwurf und Windbruch schätzt Tenkhoff auf etwa 5000 Festmeter in seinem Verantwortungsbereich Halle, Steinhagen und Werther. Das entspricht zwischen 20 000 und 30 000 Bäumen. Das sind gut fünf Prozent des Gesamtbestandes - und das bei einem einzigen Orkan. »Zu 80 bis 85 Prozent hat es die Fichte erwischt«, hat Tenkhoff festgestellt. Große Schäden gab es insbesondere bei älteren Bäumen, die zwischen 60 und 100 Jahre alt sind. Hier wurden bis zu 500 Fichten auf nur einem Hektar umgeweht.
Aus dem verheerenden Orkan ergeben sich für die heimische Waldwirtschaft jetzt viele Probleme. Zunächst einmal müssen die Unmengen von Holz so schnell wie möglich verarbeitet werden. Doch dazu fehlen der hiesigen Forstbetriebsgemeinschaft ausreichende Kapazitäten von Lohnunternehmern. Die wenig verbliebenen Unternehmen sind auch anderswo stark gefragt in diesen Tagen und Wochen. Dabei sollte laut Tenkhoff bis etwa zum 1. April wenigstens 30 bis 40 Prozent des Windbruchs beziehungsweise Windwurfs verarbeitet sein. »Denn im Frühjahr ist bei entsprechender Witterung eine Borkenkäfer-Katastrophe programmiert«, warnt Tenkhoff.
Der Borkenkäfer kann den durch den Orkan entstandenen Schaden in viel größerer Dimension verschlimmern. Durch den warmen Herbst und bisher auch relativ warmen Winter ist eine besonders hohe Population Borkenkäfer entstanden. »Ist es im April und Mai wieder trocken und warm, wird der Bestand geradezu explodieren«, schwant dem Fachmann.
Zu der Schädlingsfamilie gehören Arten wie der Nadel-Nutzholz-Borkenkäfer. Er bohrt sich ins Holz und verursacht hohe Wertminderungen. Viel Schaden kann auch der Buchdrucker-Borkenkäfer anrichten. Er greift vor allem Bäume an, deren Schutzsystem nicht mehr ganz intakt ist. Und das ist nach dem sehr heißen Sommer 2006 bei vielen Bäumen der Fall. »Der Stress im Juli war enorm«, sieht Tenkhoff günstige Bedingungen für die Holzschädlinge, die in Massen dann auch die gesunden Bäume angreifen werden. Um den Wald dann noch zu retten, fürchtet Tenkhoff, dass sogar Insektizide und Pestizide eingesetzt werden: »Aber das ist nur die ultima ratio.«
Über fast 30 Jahre hat Tenkhoff beobachten können, dass nach den Meldungen über Waldsterben am Anfang der 80er Jahre, die Wälder sich durch sauberere Luft wieder etwas erholt haben. Doch jetzt kämen die Klimaveränderungen immer mehr zum Tragen. Tenkhoff: »Es ist nicht klar, wie lange die Verbesserungen unter diesen Umständen noch anhalten werden. Der Wald ist ein labiles Gefüge.«

Artikel vom 26.01.2007