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Bluttat bleibt ungesühnt

Gericht lässt Anklage nicht zu - Staatsanwalt legt Beschwerde ein

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Für die Witwe war es ein Schock. Als sie gestern erfuhr, dass die Mörder ihres Mannes vielleicht nicht einmal bestraft werden, brach Naze Ozmenian in Tränen aus. »Ich verstehe nicht, wie so etwas möglich ist«, schluchzte die Mutter von drei Kindern.
Oter Ozmenian (29) wurde Opfer einer Bluttat.

Die 29-Jährige verlor vor sieben Monaten ihren gleichaltrigen Ehemann Oter. Er fiel in Paderborn einem Gewaltverbrechen zum Opfer. Die mutmaßlichen Täter sind bekannt - ein 66-jähriger Mann aus der Nachbarschaft und seine beiden 15 und 17 Jahre alten Söhne. Staatsanwalt Ralf Vetter ist überzeugt, dass einer der drei Männer Oter Ozmenian in der Nacht zum 16. Juni 2006 ein Messer in den Rücken gerammt hat. Ein heftiger Streit war dem tödlichen Stich vorausgegangen. Weil er einen Tötungsvorsatz nicht beweisen kann, klagte Vetter das Trio nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge an. Doch selbst diese Anklage ließ das Landgericht nicht zu. Die zuständige Strafkammer lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.
Nach Lage der Dinge muss einer der drei verdächtigen Tschetschenen der Täter sein. Mehrere Zeugen haben ausgesagt, dass der Vater und seine Söhne Ozmenian in die Mangel genommen haben. Alle drei hatten das Blut des Opfers an ihrer Kleidung. Für das Gericht nicht genug. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht, heißt es in der Ablehnungs-Begründung. Selbst hinsichtlich des Tatverdachts der gefährlichen Körperverletzung sei von einer Notwehrlage des Ruslan K. auszugehen, »in der seine Söhne ihm durchaus Nothilfe leisten durften«. Die Verteidiger Josef Schulte, Benedikt Klein und Jann Henrik Popkes gehen davon aus, dass die Ermittlungen gegen ihre Mandanten eingestellt werden.
Während der mehrfach vorbestrafte Ruslan K. noch eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren wegen Diebstahls und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verbüßt, sind seine Söhne Orzeho (15) und Elberd K. (17) bereits seit August wieder auf freiem Fuß.
»Sie können einfach herumlaufen, als wäre nichts geschehen«, klagt Naze Ozmenian verbittert. »Ich dachte, Deutschland sei ein Rechtsstaat, wo so etwas nicht passieren kann.«
Vier Jahre waren die Ozmenians und Familie K. Nachbarn im Asylantenwohnheim. »Wegen Drogen hatten die schon damals ständig Ärger mit der Polizei«, erinnert sich Naze Ozmenian. Jetzt hat sie Angst, auf die Straße zu gehen. »Ich verlasse meine Wohnung nur noch zum Einkaufen«, erzählt die junge Frau. »Aber meine Kinder müssen jeden Tag zur Schule.«
Esenia (8) und Elena (6) trauern um ihren toten Vater und sind, ebenso wie ihre Mutter, einmal pro Woche in psychotherapeutischer Behandlung. Der zweijährige Leon begreift noch nicht, was geschehen ist. »Aber er will immer wieder die Bilder vom Papa anschauen«, sagt Naze Ozmenian unter Tränen. Acht gerahmte Fotos aus glücklichen Tagen stehen im Wohnzimmer der Familie.
Die Ozmenians sind Jesiden, in Georgien eine verfolgte Glaubensminderheit. Als Sheikh, das ist ein religiöser Führer, musste Oter Ozmenian mit seiner Familie vor sechs Jahren fliehen und bekam in Deutschland Asyl. »Mein Mann hat es nicht verkraftet, dass er seine Heimat verlassen musste«, schildert die Witwe die Situation. »Die letzten drei, vier Monate nahm er Drogen«, räumt sie ein.
Vielleicht Hintergrund des Streits mit den Tschetschenen.
Staatsanwalt Vetter und Naze Ozmenians Rechtsanwalt Dieter Cramer werden Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen. »Ich will wissen, wer das getan hat, und der muss ins Gefängnis«, sagt Naze Ozmenian.

Artikel vom 26.01.2007