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Regisseur Dieter Wedel

»Stoiber müsste
ein Interesse
haben, an der Ge-
schichtsschreibung
mitzuwirken.«

Leitartikel
Mediale Albträume

Ganz Klar:
Mohnhaupt
bei Kerner!


Von Andreas Schnadwinkel
Dieter Wedel scheint sich selbst zum Sachverständigen für Ministerpräsidenten erklärt zu haben. Jüngst drehte der renommierte TV-Regisseur mit Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff für seinen Fernsehstreifen »Mein alter Freund Fritz« (ZDF, 26. Februar, 20.15 Uhr), der zum Teil auch in Ostwestfalen entstand. Und nun hat Wedel, der einen Doktortitel trägt, angekündigt, Edmund Stoibers Niedergang zu verfilmen.
»Der tiefe Fall von Stoiber ist ein Königsdrama wie bei Shakespeare. Ein toller Stoff fürs Fernsehen«, meint der 64-Jährige, der mit »Der große Bellheim« und »Die Affäre Semmeling« einst für Qualität im deutschen Fernsehen sorgte.
Wedel denkt im Ernst, dass die beteiligten Personen von Huber bis Seehofer mit ihm sprechen würden: »Ich wünsche mir, dass auch Herr Stoiber dazu bereit ist, sobald das Kapitel abgeschlossen ist.«
Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die (Selbst-)Demontage Stoibers zu einem anderen Zweck missbraucht wird: nämlich zur nachträglichen Überhöhung Gerhard Schröders als Bundeskanzler.
In der ganzen Anti-Stoiber-Hysterie der vorigen Wochen schwang stets die Botschaft mit: »Ein Glück, dass der 2002 nicht Kanzler geworden ist«.
Wedels Kollege und Konkurrent Helmut Dietl schätzt den Fall Stoiber ganz anders ein. Er hält das Thema für dramatisch überzogen, »weil es ein politisch normaler Vorgang ist«. Auch Dietl, der alte Zyniker, will sich mit der (Medien-)Politik befassen und 20 Jahre nach »Kir Royal« einen Film mit Franz Xaver Kroetz als Reporter Baby Schimmerlos drehen - diesmal mit Schauplatz Berlin.
Was beide Regisseure seit 15 Monaten unerklärlicherweise liegen lassen, ist der beste Stoff überhaupt: die VW-Affäre um den Personalvorstand Peter Hartz und den Betriebsrats-Boss Klaus Volkert. Die Geschichte hat alles, was man braucht: Korruption, Sex, Verrat und - die Hartz-Gesetze.
Bei der Besetzung der Rollen könnte man sich aus Dieter Wedels Stamm-Ensemble bedienen: Robert Atzorn als Peter Hartz, Heiner Lauterbach als Klaus-Joachim Gebauer, Heinz Hoenig als Klaus Volkert und Maja Maranow als Volkerts brasilianische Geliebte Adriana. Und Christian Wulff könnte mal wieder sich selbst spielen - den Ministerpräsidenten von Niedersachen, der bei VW per Gesetz großen Einfluss hat.
Doch das Schlimmste steht den TV-Gebührenzahlern noch bevor: Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar bei Johannes B. Kerner. Sollte die ehemalige RAF-Terroristin Mohnhaupt im Februar aus der Haft entlassen werden, könnte sie die typische linke Reinwaschungskarriere hinlegen: seitenlange Interviews in »Spiegel« und »Stern«, Auftritte bei Kerner und Beckmann und eine Autobiographie passend zum Weihnachtsgeschäft. Ein Verlag ließe sich bestimmt leicht finden.
Das wäre ein weiterer großer Schritt zur Boulevardisierung selbst ernsthaftester Themen. Wer schützt die Öffentlichkeit vor diesem Irrwitz?

Artikel vom 26.01.2007