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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.

Scharfer Verstand und sicheres Urteilsvermögen waren dem jungen König Salomo wichtiger als Reichtum und ein langes Leben. In seinem hohen Amt wären sie ja durch nichts zu ersetzen gewesen. In einem Traum hatte er genau darum gebeten, und das gefiel dem lieben Gott so sehr, daß er ihm auch das andere als Zugabe gewährte. Vielleicht war das ein Fehler.
Anfangs ließ sich zwar alles gut an. Was Salomo anfaßte, gelang ihm. Er entfaltete eine reiche Bautätigkeit und machte aus Jerusalem eine richtige Hauptstadt, mit geistlichem und weltlichem Zentrum: dem Tempel, dem Königsschloß und den Regierungsgebäuden. Er selbst ging in die Erinnerung als eine Art Märchenkönig ein und soll in unvorstellbarem Luxus geschwelgt haben. Allein für seine Hofhaltung hätten täglich „zehn gemästete Rinder, 20 Rinder von der Weide, 100 Schafe, ohne die Hirsche und Gazellen und Rehe und das gemästete Federvieh“ (1. Kön. 5, 3) ihr Leben lassen müssen. Einer anderen Notiz zufolge besaß Salomo auf dem Höhepunkt seiner Macht „700 Hauptfrauen und 300 Nebenfrauen“ (1. Kön. 11,3).
Von Neidern ist dagegen nicht die Rede, auch nicht davon, daß das Volk unter der Last der Abgaben und der Frondienste gestöhnt hätte. Im Gegenteil, es heißt: Die Menschen „aßen und tranken und waren fröhlich“ (1. Kön. 4,20). Dazu stellten sich zahlreiche ausländische Gäste ein, um die Weisheit und Prachtentfaltung Salomos zu bewundern; besonders hervorgehoben wird die legendäre Königin von Saba.
Vermutlich aber hat die Phantasie bei diesen Schilderungen mitgewirkt und kräftig nachgeholfen. Denn entstanden sind sie nicht zu Salomos Lebzeiten, sondern erst sehr viel später, während des babylonischen Exils. Da, als es den Menschen dreckig ging, nimmt es nicht wunder, daß sich das kleine und politisch stets unbedeutende Israel zumindest in der Rückschau auch einmal eine glanzvolle Epoche gönnte.
Trotzdem übertreibt die Darstellung nicht nur, und sie ist auch nicht nur geschönt. Vielmehr handelt sie auch von einem zweiten Traum, in dem Gott dem König erscheint, und zwar, „als Salomo das Haus des Herrn gebaut und das Haus des Königs und alles, was er zu machen gewünscht hatte“ (1. Kön. 9, 1), also mit sich und der Welt eigentlich doch mehr als zufrieden hätte sein können.
Aber anders als in seiner Jugend, wird er nunmehr gewarnt. Es gilt, eine bestimmte Gefahr zu erkennen und abzuwehren, die vielleicht eher in Zeiten des Wohlbefindens gegeben ist. Diese droht nicht von außen, sondern von innen. Es ist die Versuchung, anderen Göttern zu dienen. Sie hat die Geschichte des Gottesvolkes ständig begleitet, und immer wieder waren die Menschen ihr erlegen - am Ende sogar Salomo selbst. Die Bibel hält das nicht für harmlos, sondern erblickt darin die entscheidende Ursache für den Ruin: Orientierungslosigkeit schleicht sich ein, die Kraftquelle des Glaubens versiegt; die Menschen verlieren den Halt und den festen Boden unter den Füßen und leben wie auf brüchigem Eis.
Zwar dachte zu Salomos Zeiten noch niemand daran, mit dem eigenen Glauben zu brechen und sich eine andere Religion zu suchen oder gar, Gott zu leugnen. Aber der eigene Glaube wurde mit fremden Elementen und Versatzstücken durchsetzt. Die Menschen verstanden dies als Bereicherung; die Bibel sieht darin jedoch eine Verarmung und eine Verunreinigung, die zu keinem Gewinn, sondern nur zu Verlusten führt.
Heute, da es ebenfalls Mode geworden ist, sich aus sehr unterschiedlichen Zutaten eine eigene Religion zusammenzumixen, schwindet das Verständnis für solch kompromißloses Denken. Es gilt vielfach als engstirnig und intolerant. Toleranz wird allerdings nicht selten mit Beliebigkeit und Standpunktlosigkeit verwechselt. So wenig ernst man die eigene Tradition nimmt, so wenig ist man aber auch bereit, sich dem Anspruch einer anderen Religion zu stellen, und unfähig, ihrem Wesen gerecht zu werden. Letztlich kann das nur ein Spiel bleiben, das in den Ernstfällen des Lebens versagen muß.

Artikel vom 27.01.2007