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Siemens: Trotz Krise rasanter Umbau

VDO an die Börse - Aktionäre üben Kritik wegen Schmiergeldskandals - Aktie im Höhenflug

München (dpa). Trotz der größten Krise in der Unternehmensgeschichte setzt Siemens seinen radikalen Umbau mit hohem Tempo fort. Deutschlands größter Elektrokonzern will seinen Autozulieferer VDO mit mehr als 50000 Beschäftigten an die Börse bringen und kauft für 2,7 Milliarden Euro den US-Software-Hersteller UGS.

Die Siemens-Aktie kletterte um knapp sechs Prozent auf 82,50 Euro. Auf der Hauptversammlung gestern in München dominierte jedoch die Kritik wegen der Schmiergeldaffäre. Die Aktionäre ließen sich auch durch glänzende Quartalszahlen nicht besänftigen. Schutzvereinigungen und Kleinaktionäre lehnten eine Entlastung der Konzernführung ab. »Das Unternehmen schlittert von einer Affäre in die nächste«, kritisierte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Der Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer versprachen vollständige Aufklärung des Korruptionsskandals. Siemens geht davon aus, dass bis zu 420 Millionen Euro in schwarze Kassen geflossen sind. »Als ich davon erfahren habe, war ich zunächst fassungslos«, sagte Kleinfeld. Inzwischen seien zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen worden.
Aktionärsvertreter kritisierten, der Konzern sei zu spät aktiv geworden und habe das wahre Ausmaß des Skandals lange verheimlicht. Hans-Christof Hirt vom britischen Fondsmanager Hermes sagte, man müsse die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. »Vorstand und Aufsichtsrat haben die Schmiergeldaffäre aber zumindest nicht verhindert und die Aufklärung spät eingeleitet.«
Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer wies Kritik an seiner Rolle bei der Aufklärung zurück. Er habe in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender »ganz wesentliche Schritte zur Bekämpfung der Korruption eingeleitet.« Im Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates nehme er an Sitzungen zur Schmiergeldaffäre nicht teil. »Damit ist, so meine ich, der Besorgnis der Befangenheit vorgesorgt.« Aktionärsschützer hatten kritisiert, dass Pierer nun als Aufsichtsratschef Vorfälle aufklären müsse, die in seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender geschehen sind.
Pierer verteidigte die umstrittene 30-Prozent-Gehaltserhöhung für den Vorstand. Siemens sei bei den Vorstandsgehältern im Vergleich mit den anderen DAX-Unternehmen »von den Spitzenpositionen weit entfernt«. Pierer sagte aber auch: »Wir werden in Zukunft Gehaltssprünge in dieser Dimension vermeiden.«
Operativ konnte Kleinfeld auf Fortschritte verweisen. »Alle Bereiche sind profitabel«. Allerdings wurden die Zugewinne durch das Rekordbußgeld zunichte gemacht, das die EU-Kommission am Vortag wegen Kartellabsprachen gegen Siemens verhängt hatte. Mit der Höhe des Bußgeldes von 423 Millionen Euro sei Siemens »absolut nicht einverstanden«, so Kleinfeld und kündigte Einspruch an.
Die Nachricht vom Börsengang des Autozulieferers VDO kam überraschend. Man wolle sich von deutlich mehr als 25 Prozent trennen, sagte Kleinfeld. »Die industrielle Führung soll aber bei Siemens bleiben.« Durch den Gang an den Kapitalmarkt könne der Bereich mit zuletzt zehn Milliarden Euro Umsatz Wachstumschancen besser nutzen. Sollte VDO in Deutschland an die Börse gehen, wird es sich um einen der größten Börsengänge der vergangenen Jahre handeln.
Mit dem Zukauf der US-Software-Firma UGS (7000 Mitarbeiter, 1,2 Milliarden Dollar Umsatz) will Siemens seine Automatisierungs-Sparte A&D stärken. »Durch die Akquisition sind wir unserem Ziel, die digitale Fabrik mit der realen Fabrik zu kombinieren, einen großen Schritt näher gekommen«, sagte Kleinfeld.

Artikel vom 26.01.2007